Full text: Lesebuch zur Einführung in die deutsche Litteratur (Teil 6, [Schülerband])

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Die Drossel in den Brombeerstecken 
Und sagt viellieben guten Morgen 
Der Heidelerche im Gras geborgen; 
Die hat die Wörtchen kaum gehört, 
Hat sie zum Flug sich angeschickt, 
Muß ja den Morgenstern noch grüßen. 
Von ihrem Fittich aufgestört, 
Das Häslein aus dem Kraute blickt 
Und springt heraus mit flinken 
Füßen. 
Es pickt der Specht die Fichte munter; 
Eichhörnchen stutzt und klettert schnell 
Vom Wipfelnest ins Gras herunter 
Und wäscht mit Tau die Äuglein hell. 
Jetzt endlich gar der Kuckuck schreit: 
Zum Wachen ist's die höchste Zeit! 
Ein jeder Baum sagt es dem andern; 
Das wird zu Brüdern und zu 
Schwestern 
Von nah und fern aus allen Nestern 
Ein grüßendes, geschäftig Wandern! 
Das wird aus Dorn und Laubeshang 
Ein tausendfältig süßes Locken! 
Drein wogen leis wie Alphornklang 
Vom Thal herauf die Sonntags¬ 
glocken. 
Aus dem Lied vom neuen deutschen Reich. 
Das Sieb vom neuen deutschen Reich. 11. Ausl. Berlin, 1876. 
„Napoleon gefangen!" — Schwirrt's nicht so 
Unsichern Fluges noch durch alle Gassen? 
Noch kann kein Herz so recht die Botschaft fassen, 
Vor lauter Staunen glänzt kein Auge froh. 
O was ist Leipzig, was ist Waterloo? 
Man muß das Herz erst zu sich kommen lassen. 
Den Marktplatz füllen immer dicht're Massen; 
Mit hast'gem Schritt ich selbst dem Haus entfloh. 
Noch hat kein Aug' die Botschaft selbst gesehen; 
Doch auf dem Rathaus schon die Fahnen wehen. — 
Da zweifelt keiner mehr. Jetzt liest noch gar 
Der Bürgermeister zündend vom Altane 
Des Königs Brief, drauf schwenkt er eine Fahne. 
Du heil'ger Gott, was das ein Jubel war! 
Da horch, wie braust durchs Land jetzt frohe Kunde! 
Die weiße Fahne weht auf Straßburgs Zinnen! 
Kein blut'ger Sturm mußt' erst es uns gewinnen. 
„O Straßburg unser!" fliegt's von Mund zu Munde. 
O sei gesegnet uns, Erlösungsstunde! 
Nun floh die Zeit der Todesangst von hinnen, 
Durchduldet tief in feuchten Kellern drinnen. 
Nun steigt ans Licht mit eurer Herzenswunde! 
Glaubt uns, daß ihren Brand wir mit euch fühlen! 
O weinet, weint! — Wer möcht' euch, Thränen, wehren? 
Laßt Zorn und Haß euch noch das Herz durchwühlen!
	        
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