Madame Maintenon. 51
en, ihm den Vorzug einzuräumen. Es hatte italienische
sen vorgeladen, sich vor seinen Fußschemel niederzuwer⸗
fen. Sein Ansehen war in allen Angelegenheiten des guten
Tones, von einem Zweikampf bis zu einem Menuet, das
höchste. Es bestimmte, wie der Schnitt des Rocks eines
Gentleman, wie lang seine Perücke sein mußte, ob seine
Absätze hoch oder niedrig, und ob seine Hutschnur breit oder
schmal zu sein habe. In der Literatur war es die Gesetz-
geberinn der Welt. Der Ruf seiner großen Schriftsteller
erfüllte Europa. Kein anderes Land konnte einen tragischen
Dichter, der dem Racine, einen komischen Dichter, der dem
Molière lwmn wäre, einen so anmuthigen Tänd—
ler, wie Lafontaine, einen so kunstvollen Redner, wie Bos—
suet, aufweisen. Der literarische Ruhm Italiens und Spa—
niens war untergegangen, der von Deutschland war noch
nicht aufgegangen. Der Genius der ausgezeichneten Män—
ner, welche Paris zierten, (und welche wir gleich noch näher
besprechen werden) strahlte daher mit einem Glanze, dem
der Gegensatz zur vortheilhaftesten Folie diente. Frankreich
hatte in der That damals eine Herrschaft über die Mensch—
heit, wie sie selbst die römische Republik niemals erreicht
hat. Denn als Rom politisch gebietend auftrat, da war es in
Künsten und Wissenschaften der demüthige Zögling Grie—
chenlands. Frankreich über die umgebenden Länder
zugleich das Uebergewicht, welches Rom über Griechenland,
und das, welches Griechenland über Rom besaß. Das Fran⸗
zoͤsische erhob sich rasch zur allgemeinen Sprache, zur Sprache
ber modischen Gesellschaft, zur Sprache der Diplomatie. An
mehreren Höfen sprachen es Fürsten und Adelige richtiger
und feiner, als ihre Muttersprache.“
s 13.
Madamete Maintenon.
(1735. 1719.)
Nach Colbert's Tode besaß Louvois, der Kriegsmi-
nister, Ludwig's größtes Vertrauen. Louvois begünstigte die