66 Die deutsche Kaiserzeit 919—1250.
Städte. Der Kaiser selbst stürzte mit dem Rosse und galt für tot; erst
einige Tage später fand er sich bei dem Reste seines Heeres wieder ein.
Jetzt änderte Friedrich seine Politik. Hatte er es bisher darauf ab-
gesehen, eine unumschränkte kaiserliche Macht in Italien zu begründen, so
zeigte er sich nunmehr zu Zugeständnissen an seine Gegner bereit. Zuerst
j?eme%St fam er in Venedig mit dem Papste zusammen, einem bei allem Stolze
Lom^den ^len. hochdenkenden und versöhnlichen Kirchensürsten. In der Markus-
kirche küßte er ihm die Füße, wurde von ihm aufgehoben und erhielt
den Friedenskuß. Dann schloß er mit den Lombarden einen Waffenstill-
stand, der nachher zu Konstanz in einen Frieden umgewandelt wurde. Die
Lombarden huldigten dem Kaiser und leisteten den Eid der Treue, er-
hielten aber das Recht, ihre Beamten zu wählen und ihre Angelegen-
heiten selbständig zu verwalten.
S3?n § 67. Der Sturz Heinrichs des Löwen. So war der italienische
fIS?nfifu Krieg beendet, und der Kaiser konnte sich der Aufgabe zuwenden, in
Deutschland sich Gehorsam zu verschaffen und insbesondere Heinrich den
Löwen zu demütigen. Heinrich, der Besitzer der Herzogtümer Sachsen
und Bayern, der am Fuße der Alpen ebenso wie am Strande der Nordsee
gebot, hatte, während Friedrich in Italien beschäftigt war, seine gewaltige
Macht zu Eroberungen im östlichen Holstein, Mecklenburg und selbst in
Pommern benutzt; dadurch hatte er nicht nur für sein Haus, sondern
für das Deutschtum Großes geleistet. In jenem Jahrhundert begann eine
große, nach Osten gerichtete Bewegung des deutschen Volkes; wie an der
Ostsee Heinrich der Löwe, so waren in Brandenburg Albrecht der Bär
und tit der Mark Meißen das Fürsteuhaus der Wettin er für das
Deutschtum tätig. Deutsche Bauern wurden in den bisher slawischen
insatwn Gebieten angesiedelt, deutsche Mönche bauten Klöster und wirkten für
die Bekehrung der Urbewohner und zugleich für die Urbarmachung des
Landes, deutsche Ritter gründeten Burgen und verteidigten das neu-
gewonnene Land gegen fremde Angriffe; deutsche Städte endlich ent-
standen, tote Lübeck, Brandenburg und im nächsten Jahrhundert auch die
Doppelstadt Berlin-Kölln. So wurden Lande, die einst schon germanischer
Besitz gewesen waren, von neuem für deutsches Wesen und zugleich für
das Christentum gewonnen und einer höheren Kultur zugeführt.
btJßötofn Durch seine kluge und tatkräftige Politik war aber Heinrich der
Löwe so mächtig geworden, daß er geglaubt hatte, seinem Lehnsherrn
den Gehorsam versagen zu dürfen. Auch jetzt stellte er sich, obwohl vier¬
mal vorgeladen, dem Kaiser nicht. Als dieser jedoch gegen ihn einschritt,