144 C. Darstellungen aus der Natur.
der Herrin berührt wird, so giebt sie eine zuckerartige Flüssigkeit von sich,
welche von der Ameise verspeist wird. Durch ähnliche Stöße werden
die hülflosen Larven angetrieben, ihren Mund zu öffnen, wenn sie ihre
Nahrung empfangen sollen.
Die Ameisen stellen bei ihren gemeinsamen Arbeiten zum Bau ihrer
Wohnungen Aufseher auf, welche die Arbeiter von Zeit zu Zeit zu neuer
Anstrengung anspornen. Werden die Arbeiter lässig, so verursacht der
Aufseher durch Reiben der Fühlhörner an der Wand des Baues ein
eigentümliches Geräusch. Darauf lassen die Arbeiter ein eigentümliches
Zischen hören und gehen sogleich mit größerem Eifer ans Werk.
Auch die Bienen bedienen sich ihrer Fühler und des Rüssels, um
einander Zeichen zu geben, deren Bedeutung verstanden wird. Mehrere
Wochen vor dem Auszuge eines jungen Schwarms werden Kundschafter
und Quartiermacher ausgesendet, um eine geeignete Wohnung für die
künftige Haushaltung auszuspüren. Hat ein Kundschafter einen geeigneten
Wohnplatz entdeckt, so thut er es dem Mutterstocke kund, und auf seine
Botschaft machen sich zahlreiche Arbeiter auf, dem Quartiermacher zu
folgen, um die neue Wohnung von allem Unrat zu reinigen. Am Tage
des Auszugs führen die Kundschafter den ganzen Schwarm, nachdem er
sich vorläufig an einem Baume in der Nähe versammelt hat, auf ein
gegebenes Zeichen nach der bereiten Wohnung.
Wie die Bienen und die Ameisen, so bringen auch die Wespen, die
einen gemeinsamen Bau aus Holzfasern aufführen, ihren Genossen Nach¬
richt, wenn ein Späher irgendwo Futter oder Honig gefunden hat,
worauf die ganze Familie sich aufmacht, an den Fundort zu ziehen,
um den Schmaus zu teilen.
Alle höheren Tiere haben ihre Zeichen- und Tonsprache. Das
Quaken der Frösche, das Heulen und Bellen der Hunde, das Schreien
der Katzen, das Blöken der Schafe, das Brüllen der Stiere, das Wiehern
des Rosses, das Schnattern der Gänse und Enten, das Krächzen der
Hühner: alle diese Töne geben bestimmten Gefühlen, Vorstellungen und
Begierden der Tiere einen Ausdruck, welcher in jeder Gattung von den
verschiedenen einzelnen sehr gut verstanden und erwidert wird.
Die Haushenne ruft und führt ihre Küchlein durch eine eigentüm¬
liche Sprache, welche die Zungen sehr bald verstehen lernen. Durch einen
bestimmten Ruf mahnt sie die zerstreuten, sich zu versammeln, die ent¬
fernten zum Empfang eines guten Bissens. Wenn Gefahr droht, so
werden alle Kleinen durch einen schrillen Pfiff der Mutter wie elektrisiert,
so daß sie sich blitzschnell unter ihre Flügel zu flüchten suchen. Der
Hülferuf einer Henne bringt den ganzen Hühnerhof in Aufruhr.
Die Vögel von verwandter Gattung verstehen die verschiedenen
Dialekte der Vogelsprache. Ein Ton bezeichnet Freude, ein anderer
Schmerz, ein dritter Gefahr, wieder ein anderer Hunger, Zorn oder
Liebe. Der junge, hungernde Kuckuck schreit jämmerlich nach Speise,
wenn seine Pflegeeltern den gefräßigen Gast nicht zu sättigen vermögen.
Auf seinen Klageruf kommen verwandte kleine Vögel und teilen dem
Fresser mitleidig von ihrem Futter mit.
Sobald ein Schreckenston die nahende Gefahr anzeigt, so stimmt