Full text: [Theil 4 = (Tertia), [Schülerband]] (Theil 4 = (Tertia), [Schülerband])

164 D. Erzählungen und Darstellungen aus dem menschlichen Leben. 
Höher stieg der Sonnenball am wolkenlosen Himmel, heißer wurde 
der Tag, ein leichter Dunst hob sich vom Boden und machte die Ferne 
undeutlich, die Sperlinge flogen unruhig um die Baumgipfel, die 
Schwalben fuhren längs dem Boden und zogen ihre Kreise um die 
Menschen. Die Freunde suchten ihr Zimmer auf, auch hier empfand 
man die ermattende Schwüle. 
Die Hitze wurde unerträglich, die Nachmittagssonne brannte auf 
die Haut, Fels und Mauer fühlten sich heiß an, den Himmel überzog 
ein weißes Gewölk, das sich zusehends verdichtete und zusammenfuhr. 
Eifrig trieb der Knecht die Pferde zur Scheuer; die Arbeiter hasteten, 
die Garben abzuladen; im schnellen Trabe fuhren die Wagen, noch 
eine Ladung unter das schützende Dach zu retten. 
Die Freunde standen vor der Hofthüre und blickten auf die schweren 
Wolken, welche vom Himmelsrande heraufzogen. Das gelbe Sonnen¬ 
licht kämpfte zur Zeit gegen die dunkeln Schatten der Höhe, endlich ver¬ 
schwand auch der letzte, grelle Schein, glanzlos und trauernd lag die Erde. 
Die ersten Stöße des Windes fuhren heulend in das Haus. Und 
das Wetter wälzte sich langsam näher, eine schwarze Masse nach der 
andern schob sich heran, und unter ihnen stieg ein fahler Dunstschleier 
wie ein ungeheurer Vorhang höher und höher, der Donner rollte, 
kürzer die Pausen, wilder sein Dröhnen, der Sturm heulte um das 
Haus, jagte zornig dicke Staubwolken um die Mauern; Blätter und 
Halme flogen in wildem Tanze dahin. 
Und ein tüchtiges Wetter tobte um das alte Haus. Während 
der Donner tobte, ward es plötzlich finster in der Stube wie bei ein¬ 
brechender Nacht, und immer wieder wurde die unheimliche Dämmerung 
durch den Schein der feurigen Schlangen zerrissen, welche über den Hof 
dahinfuhren. Plötzlich ein Licht so blendend, daß es zwang, die Augen 
zu schließen, kurzer, markerschütternder Krach, der in mißtönendem Knattern 
endete. „Das hat eingeschlagen!" rief der Professor besorgt. „Nicht in 
den Hof," versetzte Zlse. Und wieder ein Schlag und wieder ein Feuer¬ 
schein und ein Schlag, wilder, kürzer, schärfer, „Es schwebt über uns," 
sagte Zlse ruhig und drückte das Haupt des kleinen Bruders an sich, als 
wollte sie ihn schützen. Mutig und unbeweglich stand sie da, umringt 
von den angstvollen Geschwistern. Und länger dröhnte der Donner, 
der Regen schlug an das Fenster, ein Wasserguß rasselte und klatschte 
um das Haus, die Fenster zitterten in einem wütenden Anpralle des 
Sturmes. „Es ist vorüber," sagte die tapfere Tochter des Landwirts 
leise. Die Kinder fuhren auseinander und liefen an das Fenster. 
Eine halbe Stunde später war alles vorüber, über den Bergen lag 
noch die dunkle Wolke, und aus der Ferne tönte gefahrlos der Donner. 
Zn dem leeren Hofe regte sich wieder das Leben. Zuerst zog in fröh¬ 
lichem Eifer der Entenchor aus seinem Verstecke, putzte die Federn, unter¬ 
suchte die Wasserlachen und schnatterte längs den Wagengleisen. Dann 
kam der Hahn mit seinen Hühnern, vorsichtig schreitend und die einge¬ 
weichten Körner pickend; die Tauben flogen an Vorsprünge der Fenster, 
wünschten einander mit Verbeugungen Glück und breiteten die Federn 
im neuen Sonnenlichte; Nero fuhr in kühnem Sprunge aus dem Hause,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.