Full text: Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten, nebst einem Abriß der Poetik und Litteraturgeschichte

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^eil verfälscht und seine Sittlichkeit zu Grunde richtet. Diejenigen, welche nicht 
:,e'en können, sind bei weitem nicht die Unwissendsten und Ungebildetsten. Das 
>wd^ vielmehr diejenigen, welche ohne Auswahl unwahre und wertlose Bücher 
^lesen haben. 
Ein Nachteil, den. diese Bücher verursachen, und es ist dies nicht der 
keinste, besteht darin, daß dieselben uns nicht die wirkliche Welt darstellen, in 
Welcher wir zu leben bestimmt sind, sondern uns vielmehr in eine nur in der 
Umbildung bestehende Welt versetzen, in welcher nichts geschieht, was uns einen 
oder eine Belehrung bieten könnte. Wie viele Menschen sind dadurch un¬ 
glücklich geworden, daß sie an die Trugbilder, die sie in den Romanen so 
Malerisch gezeichnet fanden, ihre Seele hingen, daß sie die Helden vieler der 
^scheulichsten Dichtungen zu ihren Lieblingen, Hausfreunden und Lebensvor- 
^lvern machten! 
Man täuscht sich keineswegs, wenn man sagt, daß bei weitem die Mehr- 
^l)k von allen, die ja jeden Augenblick zu Aufständen bereit sind, durch un¬ 
ständiges Lesen solcher Schriften, die aus der Feder von Schriftstellern ohne 
^cham und ohne Wahrheitsliebe hervorgegangen sind, verführt worden ist. 
ist kein Name so ehrwürdig, den man nicht beschmutzt, deu man nicht 
lächerlich macht, um ihn so dem Gespötte preiszugeben, und umgekehrt kein 
y . ^ so scheußlich, der nicht verherrlicht wird. Man verbanne einmal aus den 
^chbibliothekeu die Werke, worin die Tugend als Lug und Trug dargestellt, 
sin Laster iu allen seinen Gestalten geschmeichelt wird, worin die Unanständig- 
nt der Schilderungen der Unsittlichkeit der Grundsätze den Rang streitig macht; 
'Nan entferne von unsern Bühnen die Lustspiele, in welchen das Alter ver¬ 
gottet, die Unverschämtheit als Artigkeit behandelt und dargestellt wird; wie 
^le Romane und Theaterstücke werden dann wohl die Prüfung aushalten? 
s)U den unheilvollen Grundsätzen, die man leider in unserer Zeit zu verbreiten 
üch nicht scheut, gelangt gar mancher Mensch nicht von selbst; auch nicht bloß 
^'ch unvorsichtigen Umgang mit andern, welche solche Grundsätze haben; son- 
^ gar oft durch den schrecklichen Leichtsinn im Lesen von allerlei Büchern, 
^aher ist, um in diesem schrecklichen Wüste das Gute zu wählen, eine nicht 
gewöhnliche Vorsicht besonders dann durchaus nötig, wenn man aus Mangel 
eigener wissenschaftlicher Bildung nicht imstande ist, durch den Namen des 
ersassers schon zu erkennen, ob ein Buch zu verwerfen oder zu empfehlen 
Nur zu oft liest der junge Mensch ohne Auswahl, was ihm eben in die 
Hände fällt. Möge er doch, sobald ihm nur eine unedle Gesinnung auffällt, 
^gleich daran denken, daß ein gutes Buch ein guter Freund sein muß, ein 
guter Freund uns aber immer nur gute Grundsätze einzuflößen sucht. Wehe 
Wenigen, welcher dem ersten Warnungsruf des Gewissens widersteht und, 
a?ftQtt ein verführerisches Buch aus der Hand zu legen, zu lesen fortfährt, 
^ährend Schamröte sein Gesicht überzieht. 
^ Ist dir Gott, Ehre und Unschuld lieb, so fei vorsichtig in der Wahl der 
ächer, die du liest. Böse Gesellschaften verderben gute Sitten; aber die aller- 
gEkährlichste Gesellschaft ist ein schlechtes Buch. Was der Mutter treue Liebe, 
. us des Vaters fromme Sorge, was der Priester und Lehrer warmer Eifer 
jahrelang aufbaute, reißt das Lesen eines einzigen gottlosen Buches nicht selten 
n kmer einzigen Stunde wieder nieder. O fürchterliche Stunde! 
Und bist du in dem Besitze eines Buches, in dem auch nur ein einziger
	        
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