Und jener spricht, von Furcht beweget:
„Von allem, was die Insel heget,
Ist dieser Ring mein höchstes Gut.
Ihn will ich den Erinnen weihen,
Ob sie mein Glück mir dann verzeihen."
Und wirft das Kleinod in die Flut.
Und bei des nächsten Morgens Lichte,
Da tritt mit fröhlichem Gesichte
Ein Fischer vor den Fürsten hin:
„Herr! diesen Fisch hab' ich gefangen,
Wie keiner noch ins Netz gegangen!
Dir zum Geschenke bring' ich ihn."
Und als der Koch den Fisch zerteilet,
Kommt er bestürzt herbeigeeilet
Und ruft mit hoch erstauntem Blick:
„Sieh, Herr! den Ring, den du getragen,
Ihn fand ich in des Fisches Magen;
O, ohne Grenzen ist dein Glück!"
Hier wendet sich der Gast mit Grauses
„So kann ich hier nicht ferner hausen;
Mein Freund kannst du nicht weiter sein-
Die Götter wollen dein Verderben;
Fort eil' ich, nicht mit dir zu sterben."
Und sprach's und schiffte schnell sich ein.
71. Die Bürgschaft.
Joh. Christoph Friedrich vou Schiller.
Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Möros/) den Dolch im Gewände;
Ihn schlugen die Lascher in Bande.
„Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!"
Entgegnet ihm finster der Wüterich.
„Die Stadt vom Tyrannen befreien!"
„Das sollst du am Kreuze bereuen."
„Ich bin", spricht jener, „zu sterben bereit
Und bitte nicht um mein Leben;
Doch willst du Gnade mir geben,
Ich flehe dich um drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
Ich laste den Freund dir als Bürgen:
Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen."
Da lächelt der König mit arger List
Und spricht nach kurzem Bedenken:
„Drei Tage will ich dir schenken;
Doch wisse! wenn sie verstrichen, die Frist,
Eh' du zurück mir gegeben bist,
So muß er statt deiner erblassen,
Doch dir ist die Strafe erlaffen."
Und er kommt zum Freunde: „Der König
gebeut,
Daß ich am Kreuz mit dem Leben
Bezahle das frevelnde Streben;^-
Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
So bleib' du dem König zum Pfande,
Bis ich komme, zu lösen die Bande."
Und schweigend umarmt ihn der treue
Freund
Und liefert sich aus dem Tyrannen,
Der andre ziehet von dannen.
Und ehe das dritte Morgenrot scheint,
Hat er schnell mit dem Gatten die Schweb
vereint,
Eilt heim mit sorgender Seele,
Damit er die Frist nicht verfehle.
Da gießt unendlicher Regen herab,
Von den Bergen stürzen die Quellen,
Und die Bäche, die Ströme schwellen.
Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab,
Da reißet die Brücke der Strudel hinab,
Und donnernd sprengen die Wogen
Des Gewölbes krachenden Bogen.
(V
Und trostlos irrt er an Ufers Rand;
Wie weit er auch spähet und blicket
Und die Stimme, die rufende, schicket,
Da stößet kein Hachen vom sichern Strand,
Der ihn setze an das gewünschte Land,
Kein Schiffer lenket die Fähre;
Und der wilde Strom wird zum Meere.
Da sinkt er ans Ufer und weint und fleh^
Die Hände zum Zeus erhoben.
„O hemme des Sttomes Toben! '.'M
Es eilen die Stunden, im Mittag steht
Die Sonne; und wenn sie niedergeht,
Und ich kann die Stadt nicht erreichen,
So muß der Freund mir erbleichen!"
1) Schiller selbst hat Dämon für Möros geändert; s. I. Meyer „Neue Beiträge zur Feststellung,
Verbesserung und Vermehrung des Schillerschen Textes" (Nürnberg 1860), S. 34.