Vorwort zur neunten Äuflage.
FünfzigJahre sind verflossen, seitdem dieKehreinschenLesebücher
für höhere Le h ran st alten Eingang in die Schule gefunden und ihren Fort¬
bestand inmitten der großen Konkurrenz auf dem Schulbüchermarkte gewahrt
haben. Wenn man dazu beachtet, daß seit den letzten dreißig Jahren das Bestreben
vielfach darauf gerichtet war, deutsche Lesebücher für die einzelnen deutschen
Staaten herauszugeben und dieselben von den hohen Schulbehörden gewisser¬
maßen monopolisieren zu lassen; so darf der lebenskräftige Fortbestand der
Kehreinschen Lesebücher gewiß als ein untrügliches Zeichen ihrer Brauchbarkeit
gedeutet werden.
Der Verfasser hatte sich von Anfang an die Aufgabe gestellt, uur solche Lese¬
stücke aufzunehmen, welche geeignet waren, „sittlich-religiös zu bilden, zu unter¬
halten, zu belehren, deutschen Sinn und deutsche Bildung zu fördern" (Vorrede zur
3. Aust, des II. Bandes). Diesem Programm ist sowohl er bis zu seinem Tode
(25. März 1876) als auch der jetzige Herausgeber der Bücher treu geblieben, und
diesem Umstande ist es wohl hauptsächlich zu danken, daß dieselben bis jetzt acht
starke Auflagen erlebt haben, und die neunte nunmehr erscheint. Zunächst liegt
der II. Band, d. h. die mittlere (bis 1895 oberes Lehrstufe vor. Da wegen
des größeren Druckes der Umfang des Buches bedeutend gewachsen wäre, so mußte
an eine Verminderung des Inhaltes gedacht werden. Um aber letzterem keinen
wesentlichen Eintrag zu tun, so ist eine Anzahl größerer und (nach dem Urteile von
erfahrenen Schulmännern) für die Mittelklassen zu schwieriger prosaischer Stücke
weggelassen worden, wogegen 14 neue (Nr. 17. 25. 26. 27. 34. 40. 41. 46. 49.
79. 80. 82. 84. 86) Aufnahme gefunden haben; von den Gedichten sind 18 aus¬
gefallen, dafür aber 16 neue (Nr. 138. 140. 145. 149. 161. 164. 168. 171.227.
257. 279. 283. 286. 308, 66—75; 90—100) aufgenommen worden.
Das vorliegende Buch erscheint in verändertem Gewände, indem die neue
gemeindeutsche Rechtschreibung dabei Anwendung gefunden hat. Ich
glaubte, durch dieses Verfahren dem Buche, das vor dem orthographischen
Wirrwarr der siebenziger Jahre auch in Östreich und in der Schweiz sich
großer Beliebtheit erfreute, dort die alten Freunde teils zu erhalten, teils wieder
zu gewinnen.