Das Leben der alten Christen.
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urteilten Verbrecher gerichtet wurden, und dort mit Ruten gestrichen. Als sein Ende
verkündet ward, erscholl allgemeiner Jubelruf, und das Opfer begann. Nach Gebet
und Spenden kehrten die Imperatoren zum Palast zurück. Biele speisten sie an
ihrer Tafel, anderen wurden in ihren Wohnungen reiche Mahle bereitet. Die ganze
Stadt feierte den Tag als Dankfest für den glücklich beendeten Feldzug, für das
Aufhören des Bürgerkrieges, für die frohe Aussicht auf eine segensreiche Zukunft."
Alfred v. Reumont.
51. Das Leben der alten Christen.
Die Christen sind weder durch ein Land noch durch Sprache, noch durch
bürgerliche Sitten von den übrigen Menschen unterschieden. Denn weder eigene
Städte bewohnen sie, noch bedienen sie sich einer besonderen Sprache; auch keine
auffallende Lebensweise haben sie. So etwas ist ihnen nicht durch den Witz von
Menschen, die sich mit allerlei unnötigen Dingen abgeben, aufgedrungen worden.
Überhaupt kümmern sie sich um menschliche Einwirkungen nicht wie einige, sondern
die Städte der Griechen bewohnen sie und der Barbaren, wie es sich trifft; den
Landessitten in Kleidung und Nahrung und der übrigen Lebensweise folgen sie,
aber bewundernswert und anerkannt ausgezeichnet ist ihr Wandel. Das eigene
Vaterland bewohnen sie, aber wie Fremdlinge. An allem nehmen sie teil als
Bürger, und alles dulden sie wie Auswärtige. Jede Fremde ist ihnen Vaterland,
und jedes Vaterland eine Fremde. Sie heiraten wie alle; sie haben Kinder wie
auch die Heiden, aber sie setzen dieselben nicht aus. Den Tisch, aber nicht die
Frauen haben sie gemein. Sie befinden sich auf der Erde, aber ihr Leben ist im
Himmel. Sie gehorchen den bestehenden Gesetzen, aber durch ihr Leben übertreffen
sie dieselben. Sie lieben alle und werden von allen verfolgt. Man kennt sie nicht
und verurteilt sie doch; sie werden getötet und leben. Sie sind arm und machen
viele reich; alles wird ihnen genommen, und in allem haben sie Überfluß. Sie
sind verachtet und doch voll Ruhms; sie werden geschmäht und doch verherrlicht.
Man flucht ihnen und sie segnen; sie werden gelästert, und sie ehren. Sie tun
Gutes und werden wie Böse gestraft. Gestraft freuen sie sich als solche, die ins
Leben eingehen. Von Juden werden sie als Andersgläubige bekriegt und von
den Griechen verfolgt, und den Grund der Feindschaft können die Feinde nicht an¬
geben.
Um es kurz zu sagen, was die Seele im Leib, das sind die Christen in der
Welt. Die Seele ist durch alle Glieder verbreitet, so die Christen durch alle
Städte der Welt. Die Seele zwar wohnet im Leib, aber sie ist nicht von dem Leib;
ebenso wohnen die Christen in der Welt, aber sie sind nicht von der Welt. Unsicht¬
bar wird die Seele im sichtbaren Leibe bewacht; ebenso sieht man zwar auch die
Christen, da sie in der Welt wohnen, unsichtbar aber ist ihr frommer Sinn. Das
Fleisch haßt und bekriegt die Seele, weil sie dessen Lüsten widerstreitet; ebenso haßt