Eine kanadische Farmerfamilie.
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„Großvater," sagte das junge Mädchen, „der Herr ist ein Franzose aus
Großfrankreich."
„Der Himmel sei gepriesen! Ist das richtig?"
„Allerdings," erwiderte ich.
„Dann sein Sie mir doppelt willkommen! Sie befinden sich unter Freunden,
unter Landsleuten, unter Brüdern."
Zwei Stunden später war ich schon wie ein vertrauter Freund in Val-Secret.
Ich saß am Tische zwischen Frau Martin und dem Großvater Martin, während
ein Diener nach Quebec aufbrach, um meine dortigen Freunde zu beruhigen, daß
ich immer noch zu den Lebenden gehöre. '
Herr Martin zählte achtundvierzig Jahre, Frau Martin vierzig, Fräulein
Luise achtzehn, ihre Schwester Victorine sechzehn und die beiden jüngeren Herren
Victor und Emil vierzehn und zwölf; Großvater und Großmutter Martin repräsen¬
tierten zusammen etwa anderthalb Jahrhunderte. Die auf dem Hofe beschäftigten
Leute, ungefähr zehn an der Zahl, nahmen das untere Ende der langen Tafel ein.
Zwei oder drei unter ihnen, deren Haupt bereits grau war, duzten den Herrn und
die Kinder. Nachdem der Großvater das Tischgebet gesprochen, erhielt jedes seine
Portion Schinken mit Kohl, und dann kam eine gebratene Hammelskeule, welcher
ebenfalls herzhaft zugesprochen wurde.
Nachdem der Großvater das Dankgebet gesprochen, erhoben sich alle vom
Tisch. Wir hatten in einem länglichen Saale gespeist, der mit einem jener un¬
geheuren Kamine versehen war, wie man sie heute noch in einigen Gegenden der
Normandie findet. An den Wänden stand glänzendes Küchengeschirr in langen
Reihen, und die Decke ruhte auf eichenen Balken. Der Farmer geleitete mich ins
Freie, um dort den Kaffee zu nehmen, den Fräulein Luise bereitete. Sie bot mir
mit der Tasse eine lange Tonpfeife an, ein wahres Calumet, welche ich jedoch ab¬
lehnen mußte.
Die Uhr hatte eben acht geschlagen; die Nacht war sternhell. Der noch un¬
sichtbare Mond ging langsam auf, und sein Licht schimmerte bereits silbern aus den
Gipfeln der vor uns liegenden Höhen. Die Luft war mild; aus den Ställen und
Pferchen drang das Schnauben der Pferde und das Blöken der Schafe; einige
verspätete Hennen glucksten. Ich richtete verschiedene Fragen an meinen Wirt, der
mir gefällig auf alles Antwort gab. Er war ein ernster, unterrichteter Mann, der
wohl zu sprechen verstand. Ich erfuhr, daß er und seine Gattin die einzigen
Lehrer ihrer Kinder gewesen; daß sechs Generationen der Martin auf dem kleinen
Kirchhofe von Val-Secret ruhten, nachdem sie so glücklich gelebt, als dies mensch¬
lichen Wesen möglich ist, welche Gott fürchten, arbeiten und ihr Glück in der Ein¬
fachheit suchen. Auch Herr Martin dachte an keine andere Zukunft für seine vier
Kinder; seinem Wunsche nach sollten sie keinen andern Teil der Erde kennen lernen
als den, worauf sie geboren.
Jahre sind inzwischen verflossen. Sie haben Silberfäden in mein dunkles
Haar gewoben; aber die Lebhaftigkeit der Eindrücke, die ich in Val-Secret in mich