Full text: [Teil 3 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 3 = Quarta, [Schülerband])

Bilder aus der Natur und dem Menschenleben. 
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72. Das Gewitter. 
Ncich Sommcr. A. a. O. 
Ich sag mit meinen Büchern auf der Bank vor unserem Hause. 
Es war ein schwüler Sommertag; die Strahlen der Sonne halten eine 
brennende Schärfe; kein Lüftchen regte sich; die ganze Natur lechzte 
-nach Erquickung. Zweige und Blumen neigten ihre Häupter zur Erde 
nieder, und eine dumpfe Stille lag auf der Schöpfung. 
Da stieg es am fernen westlichen Himmel herauf wie leichter 
Nebel; eine kleine Wolke bildete sich, die sich immer weiter ausbreitete 
und mit jedem Augenblicke dunkler wurde. Andere graue Wölklein 
drängten sich nach und vereinigten sich bald zu einem drohenden Ge¬ 
bilde. Die Hühner auf dem Hofe wurden unruhig; die Tauben halten 
sich in dichten Scharen auf die First des Scheunendaches gesetzt; die 
anderen Vöglein flatterten scheu umher und suchten dichte Büsche und 
Bäume, und unser treuer, alter Karo hatte sich ängstlich zitternd unter 
meinen Sitz verkrochen. Von Zeit zu Zeit erscholl ein fernes, dumpfes 
Getön, gleich dem Nachhall eines schweren Gerolles. Das Gewölk 
war indes immer düsterer und drohender emporgestiegen; es bedeckte fast 
den ganzen westlichen Horizont. Plötzlich brauste der Wind in den 
Bäumen; die Sonne verschwand; glühende Blitze blendeten das Auge, 
und die gewaltige Stimme des Donners krachte Schlag auf Schlag. 
Ich eilte erschreckt ins Haus. Meine Mutter war mit den jüngeren 
Geschwistern am Beten; ich kniete zu ihnen. Stets heftiger und blen¬ 
dender zuckten nun die Blitze herab, und der Donner rollte von allen 
Seiten, daß das Haus erzitterte, und der Regen rauschte in gewaltigen 
Güssen hernieder. 
Eine halbe Stunde mochte dieses Unwetter anhalten, als das 
heftige Brüllen des Donners nachließ und in ein sanfteres Rollen 
überging, das langsam in der Ferne verhallte. Das Gewitter hatte 
sich allmählich nach Osten hinabgesenkt; einzelne Blitze zuckten noch 
dann und wann wie spielende Feuerstrahlen; der blaue Himmel wurde 
wieder sichtbar, und die liebe Sonne glänzte wieder klar und freundlich 
über uns. Die Luft im Haufe aber war dumpf und drückend. Ich 
eilte mit den Geschwistern hinunter in den Garten, um leichteren Herzens 
wieder aufzuatmen. Und sieh, wie erquickt, frisch und lebendig stand 
nun alles da! Die Gräser hoben sich in die Höhe; die Blumen duf¬ 
teten; Pflanzen, Sträucher und Bäume prangten in neuen Farben, 
und die Vöglein sangen gar lieblich in den Zweigen. Die beengende 
Schwüle war in angenehme Kühle übergegangen, und die ganze Natur 
-atmete Stärkung und erfrischtes Leben.
	        
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