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II.
1. Ist das ein festlich Treiben im Freihof Stübeckshorn!
Es fließt in vollen Strömen des Metes brauner Born,
Es wechseln Wild und Fische in leckerem Gemisch:
Sitzt doch der deutsche Kaiser dort an des Villungs Tisch.
2. Er gastet schon seit Tagen mit seinen Mannen dort,
Loch Zwietracht gährt im Reiche, und heut noch muß er fort.
Und als das Mahl vorüber und Met und Wildbret schwand,
Da reicht dem Hermann Billung Herr Otto ernst die Hand.
3. „Du hast uns baß bewirtet mit Speise und mit Trank,
Drum soll auch heut dir werden ein kaiserlicher Dank:
Es schüttelt dir die Rechte von Frost und Sturm gebräunt
Der deutsche Kaiser Otto und nennt dich seinen Freund!
4. Doch wer wie du vor Fürsten sein freies Recht verficht,
Dem ziemt ein kleiner Freihof im Lande Sachsen nicht;
Den Mann, den längst ich suchte, hab ich in dir erkannt:
Dir geb ich heut zum Lehen mein ganzes Sachsenland!"
5. Hei, wie die seltne Kunde durch Hof und Halle flog!
„Hoch," scholl es, „Hermann Billung, der Sachsen Herzog, hoch!"
Und aus des Jünglings Auge des Dankes Thräne quillt,
Als jubelnd ihn die Mannen erheben auf den Schild.
6. Dann tritt der junge Herzog zu seinem Kaiser hin:
„Dir geb ich mich zu eigen als Freund mit Herz und Sinn!
Wie du und deine Bäter will ich zu Sieg und Ruhm
Für meinen Kaiser führen sein treues Herzogtum!"
7. Da wirds dem stolzen Kaiser ums Herz so wohl und warm,
Und fest umschlingt den Sachsen sein kampfgewohnter Arm.
Hei, wie die seltne Kunde durch Hof und Halle flog!
„Hoch", scholl es, „Kaiser Otto! Hoch Herzog Billung, hoch!" —
8. Und wo die deutsche Zunge vom Kaiser Otto singt,
Das Lied vom Herzog Billung gewaltig^nit erklingt.
Zwei hehre deutsche Eichen sah man sie herrlich stehn:
Mag solche Freundschaft nimmer in Deutschland untergehn!
August Freudcnthal.