Object: Für die Mittelklassen (Band 2, [Schülerband])

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Teil des Körpers an, und die Füge sind in solchen Fällen überall im 
Wege; der Künstler schuf sich hier elf Halbfiguren, deren Schoß vom 
Knie und Tisch und Tischtuche bedeckt wird, unten aber die Füße iin 
bescheidenen Dämmerlicht kaum bemerklich sein sollten. 
Nun versetze man sich an Ort und Stelle, denke sich die sittliche 
äußere Ruhe, die in einem solchen mönchischen Speisesaal obwaltet, 
und bewundere den Künstler, der seinem Bild kräftige Erschütterung, 
leidenschaftliche Bewegung einhaucht und, indem er sein Kunstwerk 
möglichst an die Natur herangebracht hat, es alsobald mit der nächsten 
Wirklichkeit in Kontrast setzt. 
Das Aufregungsmittel, wodurch der Künstler die ruhig-heilige 
Abendtafel erschüttert, sind die Worte des Meisters: „Einer ist unter 
euch, der mich verrät!" Ausgesprochen sind sie, die ganze Gesellschaft 
kommt darüber in Unruhe; er aber neigt sein Haupt gesenkten Blickes; 
die ganze Stellung, die Bewegung der Arme, der Hände, alles wieder¬ 
holt mit himmlischer Ergebenheit die unglücklichen Worte, das Schwei¬ 
gen selbst bekräftigt: „Ja, es ist nicht anders! Einer ist unter euch, 
der mich verrät." Ehe wir aber weiter gehen, müssen wir ein großes 
Mittel entwickeln, wodurch Leonardo dieses Bild hauptsächlich belebte: 
es ist die Bewegung der Hände; dies konnte aber nur ein Italiener 
finden. Bei seiner Nation ist der ganze Körper geistreich, alle Glieder 
nehmen teil an jedem Ausdrucke des Gefühles, der Leidenschaft, ja 
des Gedankens. Durch verschiedene Gestaltung und Bewegung der 
Hände drückt er aus: „Was kümmert's mich!" — „Komm her!" 
„Dies ist ein Schelm, — nimm dich in acht vor ihm!" — „Er soll 
nicht lange leben!" — „Dies ist ein Hauptpunkt! Dies merket be¬ 
sonders wohl, meine Zuhörer!" Einer solchen Nationaleigenschaft 
mußte der alles Charakteristische höchst aufmerksam betrachtende Leo¬ 
nardo sein forschendes Auge besonders zuwenden:; hierin ist das gegen¬ 
wärtige Bild einzig, und man kann ihm nicht genug Betrachtung 
widmen. Vollkommen übereinstimmend ist die Gesichtsbildung und 
jede Bewegung, auch dabei eine dem Auge gleich faßliche Zusammen- 
und Gegeneinanderstellung aller Glieder auf das lobenswürdigfte 
geleistet. 
Die Gestalten überhaupt zu beiden Seiten des Herrn lassen sich 
drei und drei zusammen betrachten, wie sie denn auch so jedesmal in 
eins gedacht, in Verhältnis gestellt und doch in bezug auf ihre Nach¬ 
barn gehalten sind. Zunächst an Christi rechter Seite Johannes, 
Judas und Petrus.
	        
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