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ernten ihm aber versagt geblieben war. Bis dahin hatte die englische Eisen¬
industrie für die erste der Welt gegolten; mit ihren unübertrefflichen Stahl¬
waren konnte Deutschland nicht konkurrieren, und das Geheimnis der Her¬
stellung ihres Stahles hüteten die Engländer mit Argusaugen. Erst dem
älteren Krupp war es gelungen, selbständig eine der englischen mindestens¬
gleichwertige Stahlmischung zu erfinden, aber, wie cs schon so manchem
Erfinder gegangen ist, er hatte sein Vermögen dabei aufgeopfert und starb
in seinen besten Jahren, die Hoffnung auf den verdienten Erfolg feinem
unmündigen Kinde hinterlassend.
Alfred Krupp bewies sich als seines Vaters würdiger Sohn. Von der
Schulbank, wo er sich durch Fleiß ausgezeichnet hatte, weggerissen übernahm
er mit der Energie eines Mannes die schwere Last der Fürsorge für seine
Mutter und seine beiden Brüder. Mit zwei bis drei rußigen Gesellen
arbeitete er vom frühen Morgen bis zum späten Abend am Schmelztiegel
oder am Amboß; die Feicrabcndstundcn waren den Bemühungen gewidmet
die Reinheit und Feinheit des Gußstähls zu erhöhen oder durch neue Erfin-
düngen die eignen Arbeitsmittel zu verbessern, und daneben suchte sich der
junge Fabrikherr in Buchführung und sonstigem kaufmännischem Wissen zu
unterrichten. Anfangs mußte er froh sein, wenn der Ertrag seiner harten
Arbeit nur zur Zahlung des Wochenlohnes und zum allcrdürftigstcn Lebens¬
unterhalt ausreichte; erst als seine Brüder soweit herangewachsen waren,
um ihm bei der Arbeit zur Hand zu gehen, und er selbst die Zeit zu einigen
Reisen, darunter auch nach den Eisendistrikten Englands, fand, gestalteten
sich die Verhältnisse etwas günstiger, und die Fabrik wuchs allmählich;
dennoch blieb manches Hindernis zu überwinden und schwere Zeiten durch-
zukümpfen, bis endlich, nach 22 prüfungsreichen Jahren, der Sieg errungen
war.
Es war im Jahre 1851, als von der ersten Weltausstellung in London
die Kunde kam, ein von Krupp in Essen ausgestellter Gußstahlblock von 45
Zentner Gewicht habe die Erzeugnisse der englischen Fabrikanten vollständig
in den Schatten gestellt; denn diesen war es bisher im günstigsten Falle
gelungen, Stahlblöcke von 20 Zentner Gewicht zu gießen. Mit unglaublichem
Eifer wußte Alfred Krupp den mit einem Male erlangten Weltruf zu
behaupten und noch zu steigern, und das zu einer Zeit, da eben das Eisen
die Weltherrschaft angetreten hatte, im hereinbrechenden Zeitalter der
Maschinen, Eisenbahnen und Telegraphen! Ungeheures Aufsehen erregten
auf der zweiten Londoner Weltausstellung die aus einem Stück ohne
Schweißung hergestellten Eisenbahnradreifen und die über 300 Zentner
schweren Doppelkurbelachsen für Seeschiffe. Daneben erregten die riesigen
Stnhlkanoncn, welche viele Zentner schwere Geschosse auf Entfernungen von
5 und mehr Kilometer zu schleudern vermochten, eine mit Grausen gemischte
Bewunderung. Aus allen Weltteilen liefen Bestellungen ein. Auch Preußen