so
Schlachtfeldern des Jahres 1812 eine schöne Freudenernte. So oft cm
Transport von unglücklichen Gefangenen kam, warf er Schere und Elle weg
und war der erste auf dem Platze, und)^,Sind keine Deutsche da?" warseine
erste Frage; denn er hoffte von einem Tag zum andern unter den Gefangenen
Landsleute anzutreffen und freute sich, wie er ihnen Gutes thun wollte, und
liebte sic schon im voraus, ungesehenerweise. Wenn sic nur so oder so aussehen!
dachte er. Wenn ihnen nur auch recht viel fehlt, damit ich ihnen recht viel
Gutes erweisen kann! Doch nahm er, wenn keine Deutsche da waren, auch
mit Franzosen vorlieb und erleichterte ihnen nach Kräften ihr'Elend, bis sie
weiter geführt wurden. Diesmal aber, als er unter so viele, auch Darmstädter
und andere, hineinricf: „Sind keine Deutsche da?" — er mußte zum
zweitenmale fragen, denn das erstemal konnten sic vor Staunen und
Ungewißheit nicht antworten, sondern das süße deutsche Wort in Asien
erklang in ihren Ohren wie ein Harfenton, und als er hörte: „Deutsche
genug," und von jedem erfragte, woher er sei,— er wäre mit Meklcnburgern
oder Kursachsen auch zufrieden gewesen, aber einer sagte: „Von Mannheim
am Rheinstrom", als wenn der Schneider nicht vor ihm gewußt hätte, wo
Mannheim liegt; der andere sagte: „Von Bruchsal", der Dritte: „Von
Heidelberg", der Vierte: „Von Gochshcim", — da zog cs wie ein warmes,
auflösendes Tauwctter durch den ganzen Schneider hindurch. „Und ich bin
von Breiten", sagte das herrliche Gemüt, „Franz Anton Egetmeier aus
Breiten", wie Josef in Ägypten zu den Söhnen Israels sagte: „Ich bin
Josef, euer Bruder!" — und Thränen der Freude, der Wehmut und der
heiligen Heimatslicbc traten allen in die Augen, und cs war schwer zu sagen,
ob sie einen freudigern Fund an dem Schneider machten oder der Schneider
an seinen Landsleuten, und welcher Teil am gerührtesten war. Jetzt führte
der gute Mensch seine teuern Landsleute iin Triumph in seine Wohnung und
bewirtete sie mit einem erquicklichen Mahle, wie es in der Geschwindigkeit
aufzutreibcn war.
Jetzt eilte er zum Statthalter und bat ihn um die Gnade, daß er seine
Landsleute in Pensa behalten dürfe. „Anton", sagte der Statthalter, „wann
hab ich Euch etwas abgeschlagen?" Jetzt lief er in der Stadt herum und
suchte für diejenigen, die in seinem Hause nicht Platz hatten, die besten
Quartiere aus. Jetzt musterte er seine Gäste, einen nach dem andern. „Herr
Landsmann!" sagte er zu einen:, „mit Eurem Weißzeug siehts windig aus;
ich werde noch für ein halb Dutzend neue Hemden sorgen." „Ihr braucht
auch ein neues Röcklein", sagte er zu einem andern. „Eures kann noch
gewendet und ausgebessert werden", zu einem Dritten und so zu allen, und
augenblicklich wurde zugeschnitten, und alle sechs und zwanzig Gesellen
arbeiteten Tag und Nacht an Kleidungsstücken für seine werten Landsleute
vom Rhein. In wenig Tagen waren alle neu oder anständig ausstaffiert.
Ein guter Mensch, auch wenn er in Nöten ist, mißbraucht niemals fremde