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Es ist des Lebens Angst und Slot.
Du bist's, der zwischen Tod und Leben
Am grünen Strauch der Welt muß schweben.
Die beiden, so die Wurzel nagen,
70. Dich samt den Zweigen, die dich tragen,
Zn liefern in des Todes Macht,
Die Mäuse heißen Tag und Nacht.
Es nagt die schwarze wohl verborgen
Vom Abend heimlich bis zum Morgen,
75. Es nagt vom Morgen bis zum Abend
Die weiße, wurzeluntergrabend.
Und zwischen diesem Graus und Wust
Lockt dich die Beere Sinnenlnst,
Daß du Kamel — die Lebensnot,
80. Daß du im Grund den Drachell — Tod,
Daß du die Mäuse — Tag und Nacht
Vergissest, und ans nichts hast acht,
Als daß du recht viel Beerlein haschest,
Ans Grabes Brnnnenritzen naschest. Rücken.
119. vor Kerker.
Komm, folge mir im Geiste freiwillig auf einige Augen¬
blicke in die Hölle auf Erden, und lass diesen Gang uns
erschüttern, durcliwettern und warnen, auf dass nicht einst
unser Leib gezwungen und länger daselbst verweilen müsse!
Zwei Thüren von dicken Bohlen, mit festen, massiven
Schlössern versehen, Schliessen einen unheimlichen Raum,
den rings gewaltige Steinmauern umzwängen. In der einen
Wand befindet sich ein kleines Fenster, das mit einem starken
Eisengitter verwahrt ist; alle übrigen Wände sind, wie die
Decke, kahl und einförmig. Du erblickst hier weder Sofa
noch Stuhl, weder Tisch noch Bett, weder Lampe noch
Leuchter, weder Buch noch Feder, noch sonst irgend etwas,
das zur Zerstreuung oder Bequemlichkeit dienen könnte;
ein eiserner Ofen, ein hartes Strohlager, ein schwerer Block
und unzerreifsbare Ketten, das ist die ganze Summe des
Geräts. Und weshalb ist diese Grube gemauert? Sollen
Wölfe oder Tiger in ihr hausen? Mit nickten! Für Men¬
schen ist sie bestimmt; für freigeborne Menschen, die einst
den Stempel der Gottähnlichkeit an ihrer Stirn trugen! Da
sitzt er, der freche Verbrecher, und rasselt mit den Ketten
und knirscht mit den Zähnen; die furchtbarste Langeweile