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3. „O Mutter mein, o Mutter mein" — da fing er an zu Wanken —
„Du flötest auf meinem Totenbein" — da tät die Krön' ihm schwanken —
„Mein Bruder erschlug mich im Haine" — da schrie der König auf —
Wohl klang es unten feine, wie Donner rollt' es hinaus:
„Nahm aus meiner Hand
Die Blum', die ich fand.
Und sagte, sie sei die seine" — da fiel die Krön' ihm ab -
„Er schlug mich im Schlaf, er schlug mich so hart,
Hat ein Grab gewühlt, mich im Walde verscharrt" —
Da stürzte der König vom Thron herab —
„Mein Bruder in jungen Tagen" — da bäumt' er sich vor Graus —
„Nun durch deinen Mund
Soll es werden kund,
Mll es Gott und Menschen klagen"... Da war ihr Singen aus.
4. Der Gäste Schwarm war längst entflohn, allein die Königinne
Noch kniete bei ihrem sterbenden Sohn, auf daß er den Himmel gewinne.
Sie neigte das Haupt mit Schmerzen tief auf sein Gesicht:
Erloschen waren die Kerzen bis auf zweier Ampeln Licht.
Ein Windstoß kam
Und eines nahm,
Da lag der König gestorben in seiner Mutter Schoß.
Wohl blickte sie lang' noch betend hinan,
Bis der grauende Tag zu zucken begann,
Und die Augen vom Weinen tränenlos.
Jetzt entfaltet' sie stumm die Hände und löscht' das letzte müd'.
Darauf zerbrach sie die Flöte,
Daß sie nimmermehr rede.
Hier hat die Mär ein Ende. Das ist das klagende Lied.
Nus Sage und Geschichte.
60. Hekrlors Abschied.
Von Friedrich S ch i 11 c r.
A n d r o m a ch e.
Mll sich Hektar ewig von mir wenden.
Wo Achill mit der: unnahbar'n Händen
Dem Patroklus schrecklich Opfer bringt?
Wer wird künftig deinen Kleinen lehren
Speere werfen und die Götter ehren,
Wenn der finstre Orkus dich verschlingt?