Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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Der Herr von Stein weilte hier nur kurze Zeit, eilte von hier nach Breslau, 
wohin der König von Preußen sich begeben hatte. Denn Berlin und Spandau 
waren in den Händen der Franzosen, welche, durch die Lande und Städte hin 
und her ziehend, sich immer noch gebärdeten, als müßten die Lande ihnen fernerhin 
dienen. Endlich erschallte zur unendlichen Freude aus Breslau die königliche 
Entscheidung hieher. Wie auch die diplomatischen äußerlichen Scheine noch zweifel¬ 
haft spielten: seit dem königlichen Aufruf der Freiwilligen vom 3. Februar und 
dem Gesetz und Gebot über die Freiwilligen war die Entscheidung nicht mehr 
zweifelhaft. Hier in Königsberg wurden von mir und vielen anderen Zugvögeln, 
die noch ein bißchen Herz in der Brust hatten, wahrhaft königliche und kaiser¬ 
liche Tage verlebt; noch kocht mir nach einem Vierteljahrhundert mein unterdes 
kälter gewordenes Blut bei dieser Erinnerung mit verdoppelten Schlägen. Diese 
Freudenbezeugungen empfing man doch noch mit anderm Herzen, als die in 
Petersburg! Es- ist ein prächtiges deutsches Volk die Preußen, besonders die 
Ostpreußen und was dort von den Salzburgern stammt; sie haben beide Feuer 
und Nachhaltigkeit, und was sie als Geister vermögen, hat die Litteratur in ihre 
unsterblichen Register eingetragen. Mit keinem der niedergeworfenen deutschen 
Staaten, mit keinem der verbündeten war Napoleon so grausam verfahren, als 
mit dem preußischen. Das war überhaupt die boshafte Wonne dieses großen 
Feldherrn und engen Menschen — denn wenn er ein weiser Mensch gewesen 
wäre, hätte er das Zeitalter und Europa beherrschen und umbilden können —, 
wo irgend eine Tugend und Ehre übrig war, sie in höhnischer Schadenfreude 
mit Schmutz zu bedecken. Als der König sich nun endlich erklärte und den 
Willen Gottes und die Wünsche und Gebete seines Volkes erkannte, da schrie 
über Verrat, der nimmer einen Vertrag gehalten, der den jüngsten Vertrag mit 
Preußen gleich im Anfange treulos und stolz gebrochen hatte, indem er die 
Festungen Spandau und Pillau besetzte und mehrere preußischen Regimenter 
über die Bedingung der Zahl gegen Rußland mit hinaustrieb, da klagte er, daß 
er zu großmütig die Trümmer Preußens noch habe bestehen und den Herrscher¬ 
stuhl unverrückt gelassen. Er wußte wohl, warum er es gethan hatte; er mußte 
die Völker durch die Könige und Fürsten beherrschen. Wäre ihm der scythische 
Zug von 1812 gelungen, welches Spiel würde man die folgenden Jahre in 
Deutschland und Polen gesehen haben! Wie viele Königskronen würde er wieder 
in den Staub geworfen, wie viele Fürstenstühle für erledigt erklärt haben! 
Preußen war im Jahr 1807 als Kriegsschauplatz der Russen und Franzosen 
fürchterlich verheert; im Frühjahr des Jahres 1812 war dies mit absichtlicher 
Grausamkeit geschehen; man hatte das Land durch die schrecklichsten Durchzüge 
und Einquartierungen der Heerhaufen, dann durch Wegnehmung und Wegführung 
aller Hilfsmittel an Getreide, Pferden und Rindern bis aufs Mark ausgesogen 
und ausgeplündert. Und nun, wie vergaß dieses in tausend Wunden zerhauene 
und verblutete Preußen in der Lust der Abschüttelung und Befreiung alle seine 
Narben, ja seine noch offenen Wunden, und scharte und rüstete sich zur Be¬ 
waffnung seiner Jugend und zum Vordermarsch der Deutschen für die Freiheit! 
Hier ward die erste Landwehr von 30 000 bis 40 000 Mann errichtet; 
daneben wurden die aus Kurland zurückgekommenen preußischen Regimenter er- 
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