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Großen wurde es ihnen gestattet, sie einmal im Jahre zu betreten, um an den
Trümmern ihres Heiligtums zu weinen.
Das heutige Jerusalem entspricht rücksichtlich seines Umfanges, der 5/4 Stunden
beträgt, und inbezug aus den Lauf seiner Umfassungsmauern der durch Hadrian
erbauten Aelia Capitolina. Die Grenzen der Stadt wurden unter Konstantin
dem Großen nicht verändert, und wenn auch seitdem die Stadtmauern teils
wegen ihres Alters, teils wegen Beschädigung durch feindliche Angriffe vielfach
erneuert werden mußten, so ist doch ihre Anlage durch die Periode der Kreuz¬
züge hindurch bis auf unsere Tage im wesentlichen nicht umgeändert worden,
was hier ausdrücklich in betreff der Mauer erwähnt werden mag, die von Osten
nach Westen quer über den nördlichen Teil des Zionsberges läuft. Die Kreuz¬
fahrer fanden den größeren Teil dieses Berges von der Stadt ausgeschlossen,
und Raimund, Graf von Toulouse konnte dort zwischen der außerhalb liegenden
Zionskirche und dem Thore sein Lager aufschlagen. Anders war es hier vor
der Zerstörung durch Titus. Die Festungswerke erstreckten sich damals beträchtlich
weiter südwärts, zogen sich gegen Osten durch das Tyropöonthal hinab zur Quelle
Siloah, umgaben die südliche Fortsetzung des Tempelberges, auf welcher Ophel
lag, ein Ort, den die Nethimin (d. h. die von David und anderen Königen
den Leviten zur Verrichtung der niederen Tempeldienste, wie Holzhauen, Wasser¬
tragen und dergleichen, zugeteilten Hörigen oder Knechte) bewohnten, und schlossen
sich an die Südostecke der Tempelummauerung an, sind aber am Zionsberge
seitdem spurlos verschwunden. Dieser letztere muß übrigens zu jener Zeit auch
am östlichen Abhange, d. i. nach dem Tyropöon zu, gut befestigt gewesen sein;
denn die Römer wurden durch die Eroberung des Tempels nicht zugleich auch
Herren der westlich gegenüberliegenden oberen Stadt, wohin die Juden vom
Tempel aus über eine Brücke zurückwichen, die sie hinter sich abbrachen. Spuren
von dieser Brücke sind noch vorhanden.
Jerusalem hat gegenwärtig vier Stadtthore, die nach den vier Himmels¬
gegenden hinausführen. Das schönste von ihnen ist das an der Nordseite gelegene
Damaskusthor, ein vorzügliches Bauwerk von sarazenischer Architektur.
An der östlichen Stadtseite, etwas nördlich von der Tempelterrasse, befindet
sich das Stephansthor, das auch Bab Sitti Marjam, d. h. Thor unserer Frau
Maria, genannt wird, und zwar wohl deswegen, weil ihm gegenüber im Thale
Josaphat eine kleine Kirche mit einer unterirdischen, in den Felsen gehauenen
Kapelle liegt, die von der Legende als Grab der heiligen Jungfrau bezeichnet wird.
Das Zionsthor liegt an der Südseite der Stadt auf der Höhe des Berges.
Von ihm aus führt keine Hauptstraße in die Umgegend. Nur etliche schmale
und steile Pfade winden sich dort zur Tiefe des Tyropöon und des Hinnomthales
hinab.
Wichtiger ist das am nordwestlichen Fuße des Zion gelegene Westthor von
Jerusalem, das nach den Hauptorten, zu denen der Weg durch dasselbe führt,
das Thor von Jaffa, Bethlehem oder Hebron genannt wird. Die Araber
nennen es Bab el Khalil oder auch Davidsthor. Es besteht aus einem festen
Turme mit einer Pforte an der Ostseite, durch die man von der Stadt aus
eintritt und dann im Winkel gegen Norden gewendet ins Freie gelangt.