Object: Lesebuch für die Mittelstufe ostfriesischer Volksschulen

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eine Braut mit Musik zur Rirche gebracht ward, mubten die 
Spielleute über die Gasse hin stillschweigen. 
Die Bürger von Hameln haben die Begebenheit in ihr 
Stadtbhueh einzeichnen lassen. An dem Rathause standen folgende 
Zeilen: 
Im Jahr 1284 na Ohristi gebort 
to Hamel worden uthgevort 
hundert und dreibig Kinder, dasülvest geborn, 
doreh einen Piper under den Köppen verlorn, 
Brũüder Grimm. 
141. Die Gründung Hildesheims 
Die Erbauung der Stadt Hildesheim hat vor mehr als tausend 
Jahren der Kaiser Ludwig der Fromme befohlen. Diesem Kaiser ge— 
hörte das ganze deutsche Land. Die schönsten Städte und Dörfer standen 
ihm offen, aber er war an keinem Orte lieber als in der Gegend, wo 
jetzt Hildesheim steht; denn er war ein Freund vom Jagen. Und wo 
hätte er reichlicher und besser Wild finden können, als in dem damals 
unermeßlich großen Walde dieser Gegend? Eines Tages war der Kaiser 
wieder mit seinem Jagdgefolge zu Holze gefahren und verfolgte hitzig 
einen weißen Hirsch. Der Kaiser hatte das schnellste Pferd und die 
schnellsten Hunde, aber noch flinker war der Hirsch. Der lief über Berg 
und Tal, sprang in die Innerste und schwamm durch. Der Kaiser, 
immer hinterdrein, sprang auch ins Wasser, verlor aber dabei sein 
Pferd und seine Hunde. Der Hirsch entkam, und der Kaiser schleppte 
sich müde und matt noch eine Strecke weiter unter einen hohen Baum, 
um auszuruhen. 
Da lag nun der verirrte hohe Herr mutterseelenallein in der Wild— 
nis. Er stieß in sein Jagdhorn, um das Gefolge herbeizurufen; aber 
alles Blasen und Rufen war vergebens. Er erhielt keine Antwort; 
denn sein schnelles Pferd hatte ihn meilenweit von den Begleitern fort⸗ 
getragen. Da wurde es dem Kaiser doch recht bang ums Herz. Er 
nahm von seinem Busen ein goldenes Kreuz, hing es vor sich an einen 
wilden Rosenstrauch und betete inbrünstig, daß ihn Gott doch nicht hier 
in der Wildnis verkommen lassen, sondern am Leben erhalten und wieder 
zu Menschen führen möchte. 
Gleich darauf fiel der Kaiser in einen tiefen Schlaf, und als er 
wieder erwachte, sah er zu seiner großen Verwunderung vor sich den 
Platz mit Schnee bedeckt, während ringsumher alles in grüner Sommer⸗ 
pracht stand. Auch das Kreuz, welches er in den Rosenbusch gehängt
	        
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