14. Claudius an seinen Sohn Johannes.
8. Dem Vater grauset's, er reitet geschwind; er hält in den
Armen das ächzende Kind, erreicht den Hof mit Mühe und Not; in
seinen Armen das Kind war tot. Goethe.
14. Claudins an seinen Sohn Johannes.
„Gold und Silber habe ich nicht;
was ich aber habe, gebe ich dir.“
Lieber Johannes!
Die Zeit kommt allgemach heran, daß ich den Weg gehen muß, den
man nicht wieder kommt. Ich kann dich nicht mitnehmen und lasse dich
in einer Welt zurück, wo guter Rat nicht überflüssig ist. — Niemand
ist weise von Mutterleibe an, Zeit und Erfahrung lehren hier und fegen
die Tenne. — Ich habe die Welt länger gesehen als du. — Es ist nicht
alles Gold, lieber Sohn, was glänzet, und ich habe manchen Stern vom
Himmel fallen und manchen Stab, worauf man sich verließ, brechen sehen.
— Darum will ich dir einigen Rat geben und dir sagen, was ich
gefunden habe, und was die Zeit mich gelehret hat. Es ist nichts groß,
was nicht gut ist, und nichts wahr, was nicht bestehet. — Der Mensch
ist hier nicht zu Hause und geht hier nicht von ungefähr in dem schlechten
Rocke umher. Denn siehe nur, alle andere Dinge hier, mit und neben
ihm, sind und gehen dahin, ohne es zu wissen; der Mensch ist sich bewußt
und wie eine hohe, bleibende Wand, an der die Schatten vorübergehen.
Alle Dinge mit und neben ihm gehen dahin, einer fremden Willkür und
Macht unterworfen; er ist sich selbst anvertraut und trägt sein Leben in
seiner Händ. — Und es ist nicht für ihn gleichgiltig, ob er rechts oder
links gehe. — Laß dir nicht weismachen, daß er sich raten könne und
selbst seinen Weg wisse. — Diese Welt ist für ihn zu wenig, und die
unsichtbare siehet er nicht und kennet sie nicht. — Spare dir denn ver—
gebliche Mühe, und thue dir kein Leid, und besinne dich dein. — Halte
dich zu gut, Böses zu thun. — Hänge dein Herz an kein vergänglich
Ding. — Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, lieber Sohn, sondern
wir müssen uns nach ihr richten. — Was du sehen kannst, das siehe, und
brauche deine Augen, und über das Unsichtbare und Ewige halte dich an
Gottes Wort. — Bleibe der Religion deiner Väter getreu und hasse die
Frei- und Flattergeister. — Scheue niemand so viel wie dich selbst. —
Inwendig in uns wohnt der Richter, der nicht trügt, und an dessen Stimme
uns mehr gelegen ist als an dem Beifall der ganzen Welt und der Weis—
heit der Griechen und Agypter. Nimm es dir vor, mein Sohn, nicht
wider seine Stimme zu thun; und was du findest und vorhast, schlage
zuvor an deine Stirn und frage ihn um Rat. Er spricht anfangs nur
leise und stammelt wie ein unschuldig Kind; doch wenn du seine Unschuld
ehrst, löset er gemach seine Zunge und wird dir vernehmlicher sprechen. —
Lerne gern von andern, und wo von Weisheit, Menschenglück, Licht,