34. Die Hinrichtung Ludwigs XVI. und das Schicksal der Seinigen. 235
und Schluchzen. Dann führte der König sie in sein Speisezimmer,
und hier waren sie fast noch 2 Stunden allein. Sie schieden nicht,
bis der König ihnen das Versprechen gab, sie am nächsien Morgen,
ehe er zur Hinrichtung geführt würde, nochmals zu sehen. Aber als
er in sein Zimmer zurückgekehrt war, fühlte er sich übermannt vom
lange verhaltenen Schmerze; zu hart war eine nochmalige solche
Pruͤfung; mit großen Schritien auf⸗ und abgehend, rief er endlich aus:
„Nein, ich gehe nicht, es ist zu viel.“
Er schliefruhig einige Stunden;
um 5 Uhr weckte ihn sein treuer
Kammerdiener dem empfangenen
Befehle gemäß. Er nahm das
Abendmahl und übergab dem
Diener alles, was ihm, dem einst
Mächtigen und Reichen, geblieben
war: seinen Trauring und einige
Haare für seine unglückliche Ge—
mahlin und ein Siegel für seinen
Sohn zum Angedenken, bat ihn auch
wiederholt, die Seinigen zu trösten
und ihn zu entschuldigen, daß er
sie nicht noch einmal gesehen. Schon
hörte man die gräßlichen Vorbe—
reitungen, das Getöse verworrener
Stimmen, den Wirbel der Trommeln
und das dumpfe Rasseln fahrender Kanonen. Endlich um 9 Uhr kam
Santerre“), einer der Hauptanführer des Pöbels. „Sie kommen,
um mich abzuholen,“ sagte Ludwig gefaßt; „ich bitte nur um einen
Augenblick.“ Er übergab sein Testament einem städtischen Beamten,
forderte dann seinen Hut und sagte mit fester Stimme: ‚Gehen wir!“
Auf der Treppe sah er den Geistlichen auf sich warten. Er
wollte von ihm Abschied nehmen. „Nein,“ erwiderte dieser edle und
standhafte Tröster, mein Beruf ist noch nicht zu Ende,.“ und er
folgte ihm in einem zweiten Wagen, da ihm die Herzlosigkeit nicht
verstattete, an Ludwigs Seite Platz zu nehmen. Langsam ging der
Zug durch eine Doppelreihe von Soldaten — über 40 000 Mann
standen unter den Waffen — dem Revolutionsplatze zu, wo die Guillo—
tine aufgerichtet stand. Es dauerte über eine Stunde, ehe man ankam.
Es war die letzte Prüfung für den armen König, gewiß eine der
härtesten. Als vudwig auf dem Richtplatze angekommen war und den
Wagen verlassen hatte, trat ihm sogleich der Geistliche zur Seite. Mit
festem Schritte stieg der Verurteilte die Stufen des Blutgerüstes hinan
und empfing dort den Segen des Priesters. Er ließ sich, obwohl mit
Widerstreben, die Hände binden, trat dann aber lebhaft, wenn gleich
—
*) fpr. ßangtãr.