Full text: [Abteilung 5 = Für Ober-Tertia, [Schülerband]] (Abteilung 5 = Für Ober-Tertia, [Schülerband])

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II. Leldenlieder. 
20. Auf dieses Wort versetzte Lartmut keck verwegen: 
„Ihr wisset, Jungfrau Gudrun, mein eigen sind viel Degen, 
viel Lande und viel Burgen; niemand auf der Erden 
henkte mich, wenn ich Euch zwänge, Kebsweib mir zu werden." 
21. Ruhig sprach dagegen die königliche Maid: 
„Zu Euch verseh' ich nimmer mich solcher Schlechtigkeit. 
Was sagten andre Fürsten von Euch wohl bei der Märe, 
daß Wagens Enkeltochter des jungen Lartmut Kebse wäre!" 
22. „Das sollte mich nicht kümmern," warf ein der kecke Leld. 
„Doch wenn es, hehre Jungfrau, besser Euch gefällt, 
so teil' ich mit Euch gerne mein Reich und meine Krone." 
„Wofür wohl", sprach sie, „würde meine Minne Euch zum Lohne? 
23. Labt Ihr mich nicht entrissen den Eltern und den Magen? 
Ward mir von Eurem Vater der meine nicht erschlagen? 
Er müßte sich wohl hüten, mir waffenlos zu nahn, 
wenn ich ein Ritter wäre — und Euch sollt' ich als Braut umfahn? 
24. Ich hab' mich einem Recken verlobt mit heil'gem Eid; 
die Seine will ich bleiben bis in Ewigkeit. 
Vom edlen Lerwig kann mich scheiden nur der Tod." 
Verdrossen machte Lartmut die Antwort, die die Maid ihm bot. 
25. Roch haßerfüllter wurde alsdann der Wölfin Wort: 
„So plage Lettels Tochter sich härter noch hinfort! 
Run mag die trotzig Stolze, die solchen Starrsinn hegt, 
mir Dienste tun, die nimmer bis jetzo ich ihr auferlegt." 
26. Die Arge sprach zu Gudrun: „Jetzt sollst du das Gewand 
Tag für Tag mir tragen an des Meeres Strand 
und selber dort es waschen, mir wie dem Gesinde. 
And hüte dich, daß müßig ich nie dich bei der Arbeit finde!" 
27. Die hehre Jungfrau sagte zur Teufelin Gerlind: 
„Waschen hab' ich nimmer gelernt als Königskind. 
Zuvor laßt mich es lehren — ich weigre mich mit Nichten, 
in all dem großen Elend auch diesen Dienst noch zu verrichten."
	        
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