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II. Heldenlieder.
8. Perwig bot zum Gruße den heimatfernen Maiden
ein freundlich „guten Morgen". Das klang fo süß den beiden,
die längst entwöhnt des Grußes — von ihr, dem Angeheuer,
bei dem ein „guter Morgen", ein „guter Abend" war sehr teuer.
9. „Vier goldne Spangen", sprach er, „bieten wir zum Sold,
wenn ihr aus unsre Fragen uns Antwort geben wollt."
Zurück gab ihm die Jungfrau: „Gott segne euch das Gold!
Behaltet eure Spangen! Wir stehen Rede ohne Sold!"
10. „Wer führt hier", fragte Perwig, „die Herrschaft rings im Land
und auf den Burgen allen? And wie ist der benannt,
der euch hier heißt verrichten so niedren Dienstes Pflicht
in dürftigem Gewände? Seiner Ehre frommt das nicht."
11. Sie sprach: „Samt seinem Sohne, der Partmut ist genannt,
führet König Ludwig, die Perrschaft hier im Land.
Machtvoll walten beide im Volke der Normannen,
reich an starken Burgen und reich an ruhmeswerten Mannen."
12. „Wo weilen", fragte Ortwein, „die Degen jetzt im Land?
Ans hat an sie als Boten ein großer Fürst gesandt."
„Sie pflagen", sagte Gudrun, „samt vierzighundert Mannen
dort in der Burg der Ruh'noch, als heute früh ich ging von dannen!"
13. Oftmals hatte Perwig indes sie angeschaut.
Sie deuchte ihn so wonnig, so hold und schön gebaut,
so ähnlich jener einen, der er stets gedachte,
daß drob in seinem Busen tiefes Wehgefühl erwachte.
14. And weiter fragte Ortwein: „Sagt an, ist euch bekannt,
daß kriegsgefangne Frauen kamen in dies Land,
einst auf weiter Peerfahrt als Beute mitgenommen,
die hier bei den Normannen in großes Elend sind gekommen?"
15. Zur Antwort gab die Jungfrau: „Gar wohl weiß ich von ihnen.
Ich sah sie bitter leiden, sah hart und schwer sie dienen."
Sie war ja Gudrun selber — sie mußte es wohl wissen —
war selber deren eine, die den Ihrigen entrissen.