Kloster Lehnin.
85
durchdringlichen Schlingpflanzen überwuchert. And zu diesem Wider¬
stand der Natur gesellte sich noch eine heidnische, leidenschaftlich auf¬
geregte Bevölkerung, welche mit argwöhnischen und unheilkündenden
Blicken dem Treiben der Eindringlinge folgte und überall den mutigen
Bahnbrechern des Glaubens und der Kultur höhnend entgegentrat. Die
Zahl der Lehniner Mönche betrug einige dreißig. Sie bildeten den
Konvent, der nach freier Wahl den Abt an die Spitze der Brüderschaft
berief. Der erste Klosterbau ist nur von ganz bescheidenem Amfang
gewesen und hat aus Feldsteingemäuer mit Lolzdeckung bestanden, wie
die neuesten Nachgrabungen anläßlich der Wiederherstellung der Kirche
erwiesen haben. 1184 ward der Stifter des Klosters beigesetzt. Erst
im Anfang des dreizehnten Jahrhunderts begann man, das Kloster¬
gebäude in einfach romanischem Stil fortzuführen und zu wölben, und
bald darauf, im Zahre 1262, wurde es in den Formen des auftreten¬
den Spitzbogenstiles vollendet, das romanische Kurzschiff durch ein go¬
tisches Längsschiff erweitert. Der Name des Meisters, der dieses Werk
in geschickter Weise durchführte, ist uns in einer ehrwürdigen Arkunde
erhalten geblieben. Es war der Mönch Oonraäus., magister operis,
mithin wohl der älteste bekannt gewordene Architekt der Mark. Am
4. Juli 1264 wurde die feierliche Einweihung der Kirche durch den
Erzbischof von Magdeburg und die Bischöfe vonLavelberg und Branden¬
burg vollzogen.
Der erste Abt, den das Kloster nach der Gründung besessen hatte,
war Sebaldus gewesen, ein gar würdiger Lerr, gottessürchtig, gelahrt
und — wir dürfen es nicht verschweigen — äußerst wohlbeleibt. Dieser
Äberschuß an Leibesfülle aber ward ihm zum Verderb. Längst schon
sahen die Wenden mit stillem Ingrimm und steigender Wut auf ihn
und die anderen Klosterbrüder, welche ihnen Weiber und Kinder durch
die neue Lehre mehr und mehr entfremdeten. Eines Tages kehrte Se¬
baldus mit einem Klosterbruder in einem Lause des nahegelegenen
Dorfes Nahmitz ein. Sofort verbreitete sich wie ein Lauffeuer die
Kunde durch das Dorf: „Der Abbat kommt!"
Die eben beim Fischen beschäftigten Männer kehrten sofort heim
und begannen sich zu bewaffnen. Dann stürmten sie dem Lause zu, in
welchem der Abt, müde des Weges, sich erschöpft niedergelassen hatte.
Doch noch rechtzeitig wurde ihm die Größe der wahenden Gefahr be¬
kannt. Anbemerkt schlich er aus dem Lause und richtete seinen Lauf
dem Walde zu, in dessen Dickicht er Schutz und Sicherheit vor den
verfolgenden Leiden zu finden hoffte. Aber ach! Die Litze des Tages
und noch mehr jene Fülle des Leibes hinderten ihn nur zu bald, die