Metadata: Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte

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jener Zeit entstanden aus Volkssagen und Volksliedern unsere größten Epen: 
„Nibelungenlied" und „Gudrun". In den Städten bildete sich 
später der Meistersang aus, indem die ehrsamen Handwerksmeister 
allsonntäglich zusammenkamen, um in Singschulen ihre Lieder vorzutragen. 
Eine sonderbare Zunft bildeten die fahrenden Leute. Das 
waren umherziehende Sänger, Erzähler, Gaukler, Seiltänzer, Wahrsager, 
Kurpfuscher und Händler, später Mönche und Schüler, zuletzt Soldaten 
und Zigeuner. Bettelnd und stehlend zogen sie von Hof zu Hof, von 
Ort zu Ort und waren gleichsam die lebendigen Zeitungen jener Tage. 
Jahrmärkte und Kirchenfeste waren durch sie belebt. Sie schlugen ihre 
Buden als Wunderärzte auf, priesen als „Marktschreier" ihre Mittel 
mit lauter Stimme, führten Schauspiele auf, tanzten auf dem Seil, zogen 
mit Dudelsack und Fiedel singend und erzählend in den Straßen umher, 
wahrsagten und erbettelten oder stahlen Speise, Trank und einen Zehr¬ 
pfennig. Manches Volkslied über den Wein und das Wandern, 
der Liebe Lust und Leid, der Kriegsthaten Ruhm und Fährlichkeit stammt 
von ihnen. Sie waren gefürchtet, denn mit giftiger Zunge sangen sie 
die Schande der „Kargen" und priesen die Freigebigkeit der „Milden". 
Siedelten sie sich irgendwo an, so wurde ihnen ein abgelegener Winkel 
zugewiesen. Sie galten als unehrlich und durften nur unehrliche Ge¬ 
werbe, z. B. als Totengräber, Scharfrichter, Schinder, Gassenkehrer, 
Häscher und dgl., betreiben. 
7. Die Baukunst. Der gotische oder germanische Spitzbogen¬ 
stil entwickelte sich nach dem romanischen Rundbogenstil im 13. und 
14. Jahrhundert zur höchsten Blüte. Der romanische Stil, der be¬ 
sonders im 11. und 12. Jahrhundert blühte, ist aus dem altrömischen 
Stile, dem sogenannten Basilika-Stile (die ersten christlichen Kirchen 
sind in diesem Stile gebaut), hervvrgegangen. An die Stelle der flachen 
Decke der altchristlichen Kirche ist das halbkreisförmige Kreuzgewölbe 
getreten; statt eines Tur¬ 
mes finden sich jetzt mehrere 
Türme; die Fensteröffnungen, 
Portale, Säulenkapitäle sind 
„rundbogig". Die ältesten 
romanischen Bauten sind am 
Rhein (die Dome zu 
Speier, Worms und 
Mainz) und im alten 
Sachsenlande (Kaiserhaus 
zu Goslar) aufgeführt 
worden. Der gotische Stil 
suchte in seinen Bauwerken 
den deutschen Urwald nach¬ 
zuahmen, so daß die Tempel 
gleichsam in Stein erstarrte 
heilige Haine sind. Die schlanken Säulen tragen die Kapitäle gleich 
Baumgipfeln, und in edlem Schwünge neigen sie sich in Bogenwölbungen
	        
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