84 A. Erzählende Prosa. V. Geschichtliche Darstellungen rc.
ein Betrüger, ob er der richtige Waldemar war, ist natürlich durch die
parteiischen Gerichte des Kaisers nicht entschieden, und auch heute ist
man darüber noch nicht einerlei Meinung.
22. Friedrich I. von HohenMern.
Nach Richard Schillmann. Unter der Herrschaft der Hohenzollern. Berlin, 1891.
Friedrich der Zoller, Burggraf von Nürnberg, war allen, die mit
den Geschäften des Reiches vertraut waren, wohlbekannt. Er galt für
klug, tapfer und thatkräftig. Er stand wie seine Vorfahren treu zu
Kaiser und Reich und war in allen wichtigen Begebenheiten die rechte
Hand Sigismunds. Diese seine Tüchtigkeit war auch der Grund, wes¬
halb er ihn und nicht einen andern zum „obersten Verweser und
Hauptmann" der Mark ernannte.
Denn dieses Land war doch trotz seines damaligen jammervollen
Zustandes, in den es durch die Mißregierung der Kurflirsten aus dem
Hause Luxemburg gekommen war, für ganz Deutschland von großer
Wichtigkeit. War die Mark doch einst gegründet worden, um des
Reiches Schutzwehr zu bilden an seiner Ostgrenze gegen den Ansturm
der Slaven. Diese ihre Aufgabe hatte sie unter dem tüchtigen Herrscher¬
geschlecht der Anhaltiner glänzend gelöst. Seitdem waren harte Zeiten
über das Land hereingebrochen. Durch fast beständige Kriege, die in
dem unglücklichen Lande gewütet hatten, waren die Fluren verwüstet,
der Wohlstand der Städte geknickt. Bei dem lässigen Regiment, das
die Söhne Karls IV. führten, waren die alten Übel des Faustrechts
und der Wegelagerei zur entsetzlichen Landplage geworden. Namentlich
hatte sich der Adel des Landes gänzlich des Gehorsams entwöhnt.
Ungescheut und ungestraft verübte er die gröbsten Ausschreitungen,
Plünderung und Mord. Nun erschien Friedrich mit dem festen Vor¬
satz, Zucht und Ordnung in die zerrütteten Verhältnisse der Marken
zu bringen.
Die erste märkische Stadt, die er erreichte, war das alte berühmte
Brandenburg. Es kam viel darauf an, wie sie sich ihm gegenüber
verhalten würde. Es gereicht ihr zum beständigen Ruhme, daß sie die
Brücke, welche über dem Stadtgraben lag, fallen ließ und das Thor-
bedingungslos und ohne Rückhalt öffnete. Es war ein Sommertag,
der 21. oder 22. Juli 1412, an welchem der neue Herr den ersten
festen Fuß in das Land setzte, welches seine Nachkommen bis auf den
heutigen Tag an die 480 Jahre beherrscht haben. Welch ein bedeuten¬
des Ereignis! Aus der Mark wurde das Königreich Preußen. Diesem
war es unter König Wilhelm vergönnt, dem Deutschen Reiche die Ein¬
heit, mit ihr die Kraft und das Leben wiederzugeben! — An der Spitze