Full text: [Abteilung 4 = Für Unter-Tertia, [Schülerband]] (Abteilung 4 = Für Unter-Tertia, [Schülerband])

Goethe: Reineke Fuchs. 
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Reineke machte sich dran; mit vielem Ziehen und Zerren 
Bracht' er die Keile heraus; nun war der Braune gefangen, 
120 Haupt und Füße geklemmt; es half kein Schelten noch Schmeicheln. 
Bollauf hatte der Braune zu thun, so stark er und kühn war, 
Und so hielt der Neffe mit List den Oheim gefangen. 
Heulend plärrte der Bär, und mit den hintersten Füßen 
Scharrt' er grimmig und lärmte so sehr, daß Rüsteviel aufsprang. 
*25 Was es wäre, dachte der Meister, und brachte sein Beil mit, 
Daß man bewaffnet ihn fände, wenn jemand zu schaden gedächte. 
Braun befand sich indes in großen Ängsten; die Spalte 
Klemmt' ihn gewaltig, er zog und zerrte, brüllend vor Schmerzen. 
Aber mit alle der Pein war nichts gewonnen; er glaubte 
Nimmer von dannen zu kommen; so meint' auch Reineke sieudig. 
Als er Nüsteviel sah von ferne schreiten, da rief er: 
"Braun, wie steht es? Mäßiget Euch und schonet des Honigs! 
Sagt, wie schmeckt es? Rüsteviel kommt und will Euch bewirten. 
Nach der Mahlzeit bringt er ein Schlückchen, es mag Euch bekommen!" 
135 Da ging Reineke wieder nach Malepartus, der Feste. 
Aber Rüsteviel kam, und als er den Bären erblickte, 
Lief er, die Bauern zu rufen, die noch in der Schenke beisammen 
Schmauseten. „Kommt," so rief er, „in meinem Hofe gefangen 
Hat sich ein Bür, ich sage die Wahrheit." Sie folgten und liefen, 
140 Jeder bewehrte sich eilig, so gut er konnte. Der eine 
Nahm die Gabel zur Hand, und seinen Rechen der andre, 
Und der dritte, der vierte, mit Spieß und Hacke bewaffnet, 
Kamen gesprungen, der fünfte mit einem Pfahle gerüstet. 
Äa, der Pfarrer und Küster, sie kamen mit ihrem Geräte. 
145 Auch die Köchin des Pfaffen (sie hieß Frau Jutte, sie konnte 
Grütze bereiten und kochen wie keine) blieb nicht dahinten, 
Kam mit dem Rocken gelaufen, bei dem sie am Tage gesessen, 
Dem unglücklichen Büren den Pelz zu waschen. Der- Braune 
Hörte den wachsenden Lärm in seinen schrecklichen Nöten, 
150 Und er riß mit Gewalt das Haupt aus der Spalte; da blieb ihm 
Haut und Haar des Gesichts bis zu den Ohren im Baume. 
Nein! kein kläglicher Tier hat jemand gesehen! es rieselt' 
Über die Ohren das Blut. Was half ihm, das Haupt zu befreien? 
Denn es blieben die Pfoten im Baume stecken; da riß er 
55 Hastig sie ruckend heraus; er raste sinnlos; die Klauen 
Und von den Füßen das Fell blieb in der klemmenden Spalte. 
Leider schmeckte dies nicht nach süßem Honig, wozu ihm 
Reineke Hoffnung gemacht; die Reise war übel geraten, 
Eine sorgliche Fahrt war Braunen geworden. Es blutet'
	        
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