Erzählende Prosa.
I. Märchen.
1. Die weinmännchen oder wo Äartels den Most holt.
Von Büch mann und Pomtow, Märchenbronnen. Berlin, o. I.
Es war einmal ein Dorf am Rhein, das hieß Adersleben, und war
ringsum von Weinbergen umgeben. Alljährlich um die Mostzeit kamen
daselbst die Bauern in dem Kruge zusammen, um ihren Most weislich
zu prüfen. Wer dann als der erfunden wurde, der den besten Most
machte, der hatte große Ehre im Dorfe und in der ganzen Umgegend,
und alle kamen zu ihm, das ganze Jahr hindurch, wenn sie guten Wein
und Most haben wollten.
Es war aber nun schon viele Jahre, daß der Bauer Bartels immer
den besten Most herzugebracht hatte, und er war ein wohlhabender Mann
geworden. Die andern gönnten's ihm auch, denn er war kreuzbrav:
nur sein Vetter Hübner gönnte es ihm nicht. Vetter Hübner hatte
einen reichen Vater beerbt, Bauer Bartels war aber nur armer Leute
Kind, und daß er nun auch zu Wohlstand gekommen war, das neidete
ihm Hübner.
Wenn die Bauern an dem weit in der Umgegend berühmten Most¬
tage in der Schenke beisammensaßen und mit wichtiger Miene und
schnalzender Zunge den Most kosteten und dann Bartels plötzlich mit
seinem Fäßlein auf der Schulter durch die Thür trat, dann sprangen
sie alle auf von der hölzernen Bank und sagten: „Was hat uns nun
unser Schmecken und Kosten genutzt? Da kommt Bartels, und Bartels
bringt stets das beste." — Da fragte dann oft mancher Bauer: „Aber
sagt mir, Bartels, wo nehmt Ihr nur das köstliche Getränk her? Das
schmeckt mir immer, als wär's für die Engel im Himmel nicht zu schlecht.