Full text: [Abteilung 4 = Für Unter-Tertia, [Schülerband]] (Abteilung 4 = Für Unter-Tertia, [Schülerband])

von Volkm ann-Leander: Der Wunschring. 
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„Das wäre der Mühe wert!" erwiderte der Mann. „Wenn wir 
ein Jahr lang tüchtig arbeiten und etwas Glück haben, können wir ihn 
uns vielleicht kaufen." Darauf arbeiteten Mann und Frau ein Jahr 
lang mit aller Anstrengung, und bei der Ernte hatte es noch nie so 
geschüttet wie dieses Mal, so daß sie sich den Zwickel kaufen konnten 
und noch ein Stück Geld übrig blieb. „Siehst du!" sagte der Mann, 
„wir haben den Zwickel, und der Wunsch ist immer noch frei." 
Da meinte die Frau, es wäre wohl gut, wenn sie sich noch eine 
Kuh wünschten und ein Pferd dazu. „Frau," entgegnete abermals der 
Mann, indem er mit dem übrig gebliebenen Gelde in der Hosentasche 
klapperte, „was wollen wir wegen solch einer Lumperei unsern Wunsch 
vergeben. Die Kuh und das Pferd kriegen wir auch so." 
Und richtig, nach abermals einem Jahre waren die Kuh und das 
Pferd reichlich verdient. Da rieb sich der Mann vergnügt die Hände 
und sagte: „Wieder ein Jahr den Wunsch gespart und doch alles be¬ 
kommen, was man sich wünschte. Was wir für ein Glück haben!" 
Doch die Frau redete ihrem Manne ernsthaft zu, endlich einmal an den 
Wunsch zu gehen. 
„Ich kenne dich gar nicht wieder," versetzte sie ärgerlich. „Früher 
hast du immer geklagt uud gebarmt und dir alles Mögliche gewünscht, 
und jetzt, wo du's haben kannst, wie du's willst, plagst und schindest 
du dich, bist mit allem zufrieden und läßt die schönsten Jahre vergehen. 
König, Kaiser, Graf, ein großer, dicker Bauer könntest du sein, alle 
Truhen voll Geld haben — und kannst dich nicht entschließen, was du 
wählen willst." 
„Laß doch dein ewiges Drängen und Treiben," erwiderte der Bauer. 
„Wir sind beide noch jung, und das Leben ist lang. Ein Wunsch ist 
nur in dem Ringe, und der ist bald verthan. Wer weiß, was uns 
noch einmal zustößt, wo wir den Ring brauchen. Fehlt es uns denn 
an etwas? Sind wir nicht, seit wir den Ring haben, schon so herauf 
gekommen, daß sich alle Welt wundert? Also sei verständig. Du 
kannst dir ja mittlerweile immer überlegen, was wir uns wünschen 
könnten." 
Damit hatte die Sache vorläufig ein Ende. Und es war wirklich, 
als wenn mit dem Ringe der volle Segen ins Haus gekommen wäre; 
denn Scheuern und Kammern wurden von Jahr zu Jahr voller und 
voller, und nach einer längeren Reihe von Jahren war aus dem 
kleinen, armen Bauern ein großer, dicker Bauer geworden, der den Tag 
über mit den Knechten schaffte und arbeitete, als wollte er die ganze 
Welt verdienen, nach der Vesper aber behäbig und zufrieden vor der 
Hausthüre saß und sich von den Leuten guten Abend wünschen ließ. 
So verging Jahr um Jahr. Dann und wann, wenn sie ganz 
allein waren und niemand es hörte, erinnerte zwar die Frau ihren
	        
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