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141. Die BVesteigung des Pik von Teneriffa.
Adolf Friedrich Graf von Schack. Ein halbes Jahrhundert.
Sluttgart und Leipzig, 1888.
— Das Hauptziel für jeden, der Teneriffa besucht, ist der Pik
— dieser durch seine Lage einzige Bergriese. Es giebt höhere Gipfel,
doch keinen, der, inmitten einer verhältnismäßig kleinen Insel empor⸗
ragend, nach allen Seiten hin einen solchen Blick in die Unermeßlich⸗—
ken des Oceans gewährte. Was die Ersteigung besonders verlockend
macht, ist der Umstand, daß dieselbe, wie beschwerlich auch, doch mit
größerer Leichtigkeit bewerkstelligt werden kann, als die gleich hoher,
Nördlicher gelegener Gebirgsspitzen. Denn während die Berner Alpen,
die den Pik nuür um weniges überragen, das ganze Jahr hindurch mit
großen Gletschermassen und Schneefeldern überdeckt sind, zerschmilzt
auf ihm der Schnee im Sommer bis auf einzelne Lager, die sich in
den Schluchten und an der Nordseite erhalten. So tüustete ich mich
denn alsbald zu der Expedition. Nur wenige Fremde besuchen Tene—
riffa; daher wird auch der Gipfel des Vulkans nicht eben häufig er—
klommen, und so erklaͤrt es sich, daß mein Vorhaben in dem kleinen
Orotava förmlich Aufsehen erregte.
Wie es zu gehen pflegt, daß dasjenige, was man in der Nähe hat,
die Neugier am wenigsten reizt, so war von den Bewohnern des Städtchens
dielleicht noch keiner oben gewesen, außer einigen Führern. Als der beste
Unter diefen ward mir Cristoval bezeichnet. Mit ihm schloß ich denn den
Koͤntrakt. Er hatte alles zu besorgen; und eines Sonntags in der Frühe,
als der sich dem letzten Viertel zuneigende Mond noch hell am Himmel
stand, erwaͤrtete er mich mit mehreren Führern und Saumrossen vor dem
Gasthofe. Eines dieser Tiere war reichlich mit Proviant beladen, und
auch wärmende Decken fehlten nicht. Aus den Gesprächen mit
Christoval und noch mehr aus dem mit seinen Genossen entnahm ich,
daß sie die Ersteigung des Donnersbergs als ein schwieriges und nicht
gefahrloses Unternehmen betrachteten. Die Schweizer Führer und die
Mitglieder unserer AÄlpenklubs, die jetzt auf den Montblanc und das
Manterhorn klettern, als wäre dasjenige, was man noch vor kurzem
für unmöglich hielt, eine Kleinigkeit, würden allerdings hierüber
lächeln. Ällein um es erklärlich zu finden, muß man bedenken, daß
auf so hohen Gipfeln, wie der des Pik es ist, unter ungünstigen Um—
fländen bei einbrechendem Unwetter der Reisende immerhin in bedenk—
liche Situationen kommen kann. Die Nacht, in der ich einige Stunden
vor dem Frührot aufbrach, war herrlich. Die Mondesstrahlen rannen
wie geschmolzenes Silber über die Erde und hüpften in weißlichen
Funken uͤber die Wipfel der Bäume und über die breiten Blätter der
im leisen Windhauch auf- und niederwallenden Bananen dahin. Das
Klingen der Schellen am Halse der Saumtiere erinnerte mich an meine
wochenlangen Ritte in den spanischen Gebirgen, namentlich durch die
Sietra Nevada. Dieser Ton, zumal wenn er an den Klüften und
Zackenfelsen umher wiederhallt, wiegt den Geist allmählich in angenehme