Full text: [Teil 5 = achtes (und neuntes Schuljahr)] (Teil 5 = achtes (und neuntes Schuljahr))

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friedliche und gesetzmäßige Durchführung des begonnenen Werkes ent— 
stehen könnten, wenn das für die jetzige Vorlage hergestellte Einver— 
ständnis der Regierungen für die vom Reichstage begehrten Änderun— 
gen nicht wieder gewonnen würde. Heute kommt es vor allem darauf 
an, den günstigen Moment zur Errichtung des Gebäudes nicht zu 
versäumen; der vollendetere Ausbau desselben kann alsdann getrost 
dem ferneren vereinten Wirken der deutschen Fürsten und Volksstämme 
überlassen bleiben. 
Die Ordnung der nationalen Beziehungen des norddeutschen 
Bundes zu unsern Landsleuten im Süden des Mains ist durch die 
Friedensschlüsse des vergangenen Jahres dem freien Übereinkommen 
beider Teile anheimgestellt. Zur Herbeiführung dieses Einverständnisses 
wird unsere Hand den süddeutschen Brüdern offen und entgegenkom— 
mend dargereicht werden, sobald der norddeutsche Bund in Feststellung 
seiner Verfassung weit genug vorgeschritten sein wird, um zur Ab— 
schließung von Verträgen befähigt zu sein. 
Die Erhaltung des Zollvereins, die gemeinsame Pflege der Volks— 
wirtschaft, die gemeinsame Verbürgung für die Sicherheit des deut— 
schen Gebietes werden Grundbedingungen der Verständigung bilden, 
welche voraussichtlich von beiden Teilen angestrebt werden. 
Wie die Richtung des deutschen Geistes im allgemeinen dem 
Frieden und seinen Arbeiten zugewandt ist, so wird die Bundes— 
genossenschaft der deutschen Staaten wesentlich einen defensiven Cha— 
rakter tragen. Keine feindliche Tendenz gegen unsere Nachbarn, kein 
Streben nach Eroberung hat die deutsche Bewegung der letzten Jahr— 
zehnte getragen, sondern lediglich das Bedürfnis, den weiten Gebieten 
von den Alpen bis zum Meere die Grundbedingungen des staatlichen 
Gedeihens zu gewähren, welche ihnen der Entwickelüngsgang früherer 
Jahrhunderte verkümmert hat. Nur zur Abwehr, nicht zum Angriff 
einigen sich die deutschen Stämme, und daß ihre Verbrüderung auch 
von ihren Nachbarvölkern in diesem Sinne aufgefaßt wird, beweist die 
wohlwollende Haltung der mächtigsten europäischen Staaten, welche 
ohne Besorgnis und ohne Mißgunst Deutschland von denselben Vor— 
teilen eines großen staatlichen Gemeinwesens Besitz ergreifen sehen, 
deren sie sich ihrerseits bereits seit Jahrhunderten erfreuen. Nur von 
uns, von unserer Einigkeit, von unserer Vaterlandsliebe hängt es daher 
in diesem Augenblick ab, dem gesamten Deutschland die Buͤrgschaften 
einer Zukunft zu sichern, in welcher es, frei von der Gefahr, wieder 
in Zerrissenheit und Ohnmacht zu verfallen, nach eigener Selbstbestimmung 
seine verfassungsmäßige Entwickelung und seine Wohlfahrt pflegen und 
in dem Rate der Völker seinen friedlichen Beruf zu erfüllen vermag. 
Ich hege das Vertrauen zu Gott, daß die Nachwelt im Rückblick 
auf unsere gemeinsamen Arbeiten nicht sagen werde, die Erfahrungen 
der früheren mißlungenen Versuche seien ohne Nutzen für das deutsche 
Volk geblieben, 8 vielmehr unsere Kinder mit Dank auf diesen 
Reichstag als den Begründer der deutschen Einheit, Freiheit und 
Macht zurückblicken werden.
	        
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