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friedliche und gesetzmäßige Durchführung des begonnenen Werkes ent—
stehen könnten, wenn das für die jetzige Vorlage hergestellte Einver—
ständnis der Regierungen für die vom Reichstage begehrten Änderun—
gen nicht wieder gewonnen würde. Heute kommt es vor allem darauf
an, den günstigen Moment zur Errichtung des Gebäudes nicht zu
versäumen; der vollendetere Ausbau desselben kann alsdann getrost
dem ferneren vereinten Wirken der deutschen Fürsten und Volksstämme
überlassen bleiben.
Die Ordnung der nationalen Beziehungen des norddeutschen
Bundes zu unsern Landsleuten im Süden des Mains ist durch die
Friedensschlüsse des vergangenen Jahres dem freien Übereinkommen
beider Teile anheimgestellt. Zur Herbeiführung dieses Einverständnisses
wird unsere Hand den süddeutschen Brüdern offen und entgegenkom—
mend dargereicht werden, sobald der norddeutsche Bund in Feststellung
seiner Verfassung weit genug vorgeschritten sein wird, um zur Ab—
schließung von Verträgen befähigt zu sein.
Die Erhaltung des Zollvereins, die gemeinsame Pflege der Volks—
wirtschaft, die gemeinsame Verbürgung für die Sicherheit des deut—
schen Gebietes werden Grundbedingungen der Verständigung bilden,
welche voraussichtlich von beiden Teilen angestrebt werden.
Wie die Richtung des deutschen Geistes im allgemeinen dem
Frieden und seinen Arbeiten zugewandt ist, so wird die Bundes—
genossenschaft der deutschen Staaten wesentlich einen defensiven Cha—
rakter tragen. Keine feindliche Tendenz gegen unsere Nachbarn, kein
Streben nach Eroberung hat die deutsche Bewegung der letzten Jahr—
zehnte getragen, sondern lediglich das Bedürfnis, den weiten Gebieten
von den Alpen bis zum Meere die Grundbedingungen des staatlichen
Gedeihens zu gewähren, welche ihnen der Entwickelüngsgang früherer
Jahrhunderte verkümmert hat. Nur zur Abwehr, nicht zum Angriff
einigen sich die deutschen Stämme, und daß ihre Verbrüderung auch
von ihren Nachbarvölkern in diesem Sinne aufgefaßt wird, beweist die
wohlwollende Haltung der mächtigsten europäischen Staaten, welche
ohne Besorgnis und ohne Mißgunst Deutschland von denselben Vor—
teilen eines großen staatlichen Gemeinwesens Besitz ergreifen sehen,
deren sie sich ihrerseits bereits seit Jahrhunderten erfreuen. Nur von
uns, von unserer Einigkeit, von unserer Vaterlandsliebe hängt es daher
in diesem Augenblick ab, dem gesamten Deutschland die Buͤrgschaften
einer Zukunft zu sichern, in welcher es, frei von der Gefahr, wieder
in Zerrissenheit und Ohnmacht zu verfallen, nach eigener Selbstbestimmung
seine verfassungsmäßige Entwickelung und seine Wohlfahrt pflegen und
in dem Rate der Völker seinen friedlichen Beruf zu erfüllen vermag.
Ich hege das Vertrauen zu Gott, daß die Nachwelt im Rückblick
auf unsere gemeinsamen Arbeiten nicht sagen werde, die Erfahrungen
der früheren mißlungenen Versuche seien ohne Nutzen für das deutsche
Volk geblieben, 8 vielmehr unsere Kinder mit Dank auf diesen
Reichstag als den Begründer der deutschen Einheit, Freiheit und
Macht zurückblicken werden.