Full text: [Teil 5 = achtes (und neuntes Schuljahr)] (Teil 5 = achtes (und neuntes Schuljahr))

48 
scheint die grause Fluchbotin des Grals, die Zauberin Kundrie, flucht 
Parzival, und dieser leistet Verzicht auf die weltliche Ritterschaft der 
Tafelrunde, gelobt sich dem Gral, aber ohne Kraft und ohne Zuversicht, 
und reitet traurig und an Gott verzweifelnd von dannen. 
Länger als vier Jahre irrt er, fern von Gott wie von der 
Heimat, in sich verbissen, trotzig und verzagt, umher: es ist die Zeit 
des Zweifels, und während dieser Zeit verliert ihn das Gedicht völlig 
aus den Augen, um in langer, zierlicher Ausführung die Herrlichkeit 
des weltlichen Rittertums zu ihrem Rechte kommen zu lassen. Der 
Held der Begebenheiten ist nun auͤf längere Zeit nicht Parzival, sondern 
Gawein, sein Genosse an Artus' Hofe, der nach manchen ritterlichen 
Thaten als weltlicher Ritter gleichfalls, wie einst Parzival, auszieht, 
um den Gral zu suchen. 
Nach vier Jahren finden wir Parzival wieder, wie er am Kar— 
freitag, dessen Heiligkeit er durch Waffentragen verunehrt, — denn 
schon lange hat er nach Gott nicht gefragt — durch einen Ritter im 
grauen Gewande zum erstenmal wieder auf das höhere Ziel seines 
Lebens hingewiesen, zum erstenmal wieder an die Treue Gottes, 
seiner Untreue und seinem Zweifel gegenüber gemahnt wird. Diese 
Schilderung mag leicht zu dem Einfachsten, aber auch zu dem Treffend⸗ 
sten und Besten gehören, was nicht allein Wolframs Gedicht enthält, 
sondern was jemals in dieser Weise gedichtet worden ist. Nachher 
gelangt Parzival, geleitet von dem Ritter im grauen Gewande, zu 
einem Einsiedler, in welchem er seinen Oheim Trevrizent findet. Dieser 
belehrt ihn, daß Hochmuͤt und Zweifel niemals den Gral gewinnen 
können; er selbst habe, wenn schon aus dem Königsgeschlecht des Grals 
entsprossen, weil er sich selbst als unwürdig müssen, der 
Würde eines Pflegers des Grals entsagt; sein Bruder Anfortas, 
der König im Gral, habe auch einst das Feldgeschrei Amur vor sich 
hergetragen, und der Ruf weltlicher Liebe „sei zur Demut nicht völlig 
gut“; darum habe er im Streit unterliegen müssen, sei mit einem 
vergifteten Speer (eben dem, der einst in der Gralburg durch den 
Saal getragen worden) verwundet worden und schleppe nun ein sieches 
Leben kümmerlich hin das er doch nicht enden köͤnne und dürfe; viel— 
mehr schöpfe er täglich neue Kraft, zu leben und Schmerzen zu 
ertragen, aus dem Anschauen des Grals, bis dereinst, wie man 
aus einer Inschrift am Gral wisse, ein Ritter kommen werde, der 
nach dem Leiden des Königs und nach dem Gral fragen und sich 
durch diese Frage als den bezeichnen werde, dem Anfortas das 
Königtum im Gral übergeben könne. Das aber sei nun eben en 
e welcher seinem Oheim seine Herkunft und Geschichte bereits 
erzählt hatte 
Abermals tritt uns die weltliche Ritterschaft in Gaweins Helden⸗ 
thaten entgegen, der berufen ist, einen Zauber auf dem Schloffe 
Qhateau merveil zu lösen, den der vielberufene Zauberer Klings— 
ohr über die von ihm zusammengeraubten Bewohner dieses Schlofses 
gelegt hat; Klingsohr, derselbe, den die spätere Sage als historische
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.