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Ich gab ihm Bescheid.
„Hm, da habt Ihr einen redlichen Marsch hinter Euch," meinte
er. „Aber schön ist's dort oben. Und wo soll's noch hingehn
heut abend, wenn man fragen darf?"
„Ins Nachtquartier, denk' ich. Ist kein Dorf in der Nähe?"
„Freilich, da hinter der Schmiede. Aber übernachten könnt
Ihr in den paar Häusern nicht. Eine Bierschenke haben wir ja,
aber ein Bett findet Ihr da schwerlich. Ins Städtchen ist's eine
halbe Stunde."
Und ruhig, als ob er allein in seiner Werkstatt wäre, nahm
er sein Eisen aus der Esse und setzte sein Hämmern fort. Ich
zog meine Feldflasche, stärkte mich und reichte sie dem fleißigen
Manne hinüber. Aber er dankte und machte mit dem Ellenbogen
eine Bewegung nach einer Bierkanne, die in seiner Nähe stand.
Er war als fester Deutscher selbstverständlich schon versehen.
„Sagt mir, Meister," fuhr ich nach einer besinnlichen Weile
fort, „wie kommt's, daß Eure Schmiede abseits vorm Dorfe steht?
Gab's kei-nen Platz drinnen?"
„Meine Frau kann den Lärm nicht vertragen," war die Ant¬
wort.
„Oho!" rief ich, „ich dachte bisher, nur die Städter wären
nervenkrank! Fängt das jetzt auch bei euch an?"
„Sie ist seit fünfzehn Jahren siech," sagte der Mann am
Amboß.
„Ach so," machte ich und schwieg. Eine Pause entstand. Ein
Nachtfalter surrte. Der Schmied hämmerte, und ich besah mir
diesen ernsten Mann mit einer plötzlichen Ehrfurcht.
„Habt Ihr Kinder?" forschte ich weiter.
„Ein Mädchen."
„Erwachsen, so daß es seine Mutter pflegen kann?"
„Das Ännchen ist just so viel Jahre alt, als seine Mutter
krank liegt. Bei seiner Geburt fing's mit ihr an. — Was das
Pflegen anbelangt," fuhr er fort und warf das fertige Eisen in
den aufzischenden Wassertrog, „so ist das so 'ne Sache. Das
Mädel ist von seiner Geburt an lahm. Es geht an Krücken."
„Alle Wetter!" entfuhr mir, „da seid Ihr schön dran!"
„Hat mir schon mancher gesagt," bemerkte er ruhig, scharrte
die Asche über das Feuer und fing an, sich die Hände zu waschen.
Palixamus-Rehorn, Lesebuch. Ausg. E. Teil 7». 8