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Dienst des Gemeinw ohls. Aber dies konnte nur erreicht werden ver¬
möge einer fast übermenschlichen Arbeit und eines Bevormundungs¬
systems, das an den Geist des mittelalterlichen Lehnsstaates er¬
innert. Die Beamten lebten fast alle in Furcht und Zittern vor
der rauhen Strenge ihres Herrn, der immer geneigt war, mit
einem Donnerwetter dazwischen zu fahren, und dem es nie schnell
genug mit der Arbeit gehen konnte. Sein cito, citissime auf den
Akten war wohl geeignet, auch herzhafte Gemüter in eine gelinde
Nervosität zu versetzen. Wie er den Dienst verstand, das zeigt
eine Äußerung von ihm, die fiel, als sich jemand gegen eine Ver¬
setzung sträubte, weil ihm das Klima seines Bestimmungsortes
nicht zuträglich dünkte: „Man muß dem Herrn mit Leib und
Leben, mit Hab und Gut, mit Ehr und Gewissen dienen und alles
daran setzen als die Seligkeit, aber alles das andere muß mein
sein." Das will heißen, der König verlangte schrankenlose Hin¬
gabe an das Ganze mit allen Kräften Leibes und der Seele.
Er konnte sich gar nicht genug tun, und so klagte er denn
gelegentlich mit köstlicher Naivität: „Gott weiß, daß ich gar zu
tranquill bin; wenn ich mehr cholerisch wäre, ich glaube, es würde
besser sein. Aber Gott will es nicht haben."
Nirgends tritt seine Grundanschauung deutlicher zutage als
in jenem Testament von 1722, das als Unterweisung für den Kron¬
prinzen für den Fall des Ablebens Friedrich Wilhelms gedacht
war. Gleichsam in der Form eines Gebetes legte der König darin
vor Gott und seinem Sohne Rechenschaft über sich und seine Re¬
gierung ab. Nichts band er seinem Sohne so auf die Seele als
das Heer, genau so, wie er es siebzehn Jahre später in der Todes¬
stunde wiederum getan hat. Er drohte ihm mit der Entziehung
seines Segens, wenn er auch nur den geringsten Abstrich von
diesem Heere machen würde. „Und gebe Euch den Fluch, den Gott
dem König Pharao gegeben hat, daß es Euch so gehe wie Ab-
salom." An einer andern Stelle hieß es: „Die Euch die Wahr¬
heit sagen, das sind Eure Freunde," ein Wort, das von der
Lebenserfahrung des damals erst vierunddreißigjährigen Königs
Zeugnis ablegt. „Arbeiten müßt Ihr, so wie ich beständig getan;
ein Regent, der mit Honneur in die Welt regieren will, muß sein
Affairen alles selber tun; denn die Regenten sind zur Arbeit er¬
koren und nicht zum faulen Weiberleben." Das war der Grund-