I
— 296 —
Augen zum letzten Schlummer, nachdem er kurz vorher nach einem
neuen heftigen Hustenanfalle zu dem ihn im Lehnsessel stützenden
Kammerhusaren hoffnungsvoll gesagt hatte: „Wir sind über den
Berg, es wird besser gehen!" — Kronprinz Friedrich Wilhelm,
der spätere König Friedrich Wilhelm III., hat in seinem Tage¬
buche hinterlassen, wie er den großen Toten in Sanssouci vor¬
gefunden: „Er hatte einen kleinen Hut auf dem Kopse, ferner
einen alten, blauen, seidenen Mantel um, unter dem er noch ein
Pelzhemde anhatte. Seine Füße und Beine waren mit großen
Gichtstiefeln bekleidet; zwei Läufer und Lakaien standen dabei, um
mit einem grünen Zweige die Fliegen vom Gesichte abzuhalten."
Und an einer anderen Stelle schreibt er: „Viele derer Offiziers,
so den hochseligen König sahen, kamen mit Tränen in den Augen
heraus, besonders die alten, so sich seiner großen Taten erinnerten
und der Schlachten, so sie unter seinem Befehl hatten gewinnen
helfen."
Dem Sterbegemach benachbart liegt das runde Bibliothek¬
zimmer, bis zur Decke mit hellbraunem Zedernholz, von stark ver¬
goldeter Schnitzerei unterbrochen, getäfelt und von Friedrich täglich
als Arbeitszimmer benutzt. An ihn und seine Tätigkeit Hierselbst
gemahnen noch sein Arbeitspult, sein Lehnsessel und die Diwans
für seine Lieblingshunde, vor allem aber seine Handbibliothek
in vier Bücherschränken, über denen auf Konsolen die antiken
Marmorbüsten eines Apoll, des Sokrates und Homers stehen,
zu denen sich eine Statue Friedrichs von Schadow gesellt hat.
Unter Glas finden wir eine kleine, halbverwischte, flüchtige Zeich¬
nung — es ist der erste Plan von Sanssouci, vom König eigen¬
händig gezeichnet. Viele Spuren des Gebrauches weist das Ar¬
beitspult auf; oft mag er an ihm seine schönen, an die Lieblings¬
schwester, die Markgräfin von Bayreuth, gerichteten Worte be¬
tätigt haben: „Du hast recht, wenn du sagst, daß ich viel arbeite.
Ich tue es, um zu leben, denn nichts hat mit dem Tode mehr
Ähnlichkeit als der Müßiggang!"
Lange stand Napoleon bei seinem Besuche des Schlosses schwei¬
gend und gedankenverloren vor dem einfachen Pult; dann nahm
er den Hut ab, wendete sich zu seinen Generalen und sagte: „Meine
Herren, lassen Sie uns diesen Ort ehren, denn er ist heilig!"
Paul Lindenberg.
I