Full text: [Abteilung 1 = Klasse 3 umd 2 (Achtes und Neuntes Schuljahr), [Schülerband]] (Abteilung 1 = Klasse 3 umd 2 (Achtes und Neuntes Schuljahr), [Schülerband])

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Augen zum letzten Schlummer, nachdem er kurz vorher nach einem 
neuen heftigen Hustenanfalle zu dem ihn im Lehnsessel stützenden 
Kammerhusaren hoffnungsvoll gesagt hatte: „Wir sind über den 
Berg, es wird besser gehen!" — Kronprinz Friedrich Wilhelm, 
der spätere König Friedrich Wilhelm III., hat in seinem Tage¬ 
buche hinterlassen, wie er den großen Toten in Sanssouci vor¬ 
gefunden: „Er hatte einen kleinen Hut auf dem Kopse, ferner 
einen alten, blauen, seidenen Mantel um, unter dem er noch ein 
Pelzhemde anhatte. Seine Füße und Beine waren mit großen 
Gichtstiefeln bekleidet; zwei Läufer und Lakaien standen dabei, um 
mit einem grünen Zweige die Fliegen vom Gesichte abzuhalten." 
Und an einer anderen Stelle schreibt er: „Viele derer Offiziers, 
so den hochseligen König sahen, kamen mit Tränen in den Augen 
heraus, besonders die alten, so sich seiner großen Taten erinnerten 
und der Schlachten, so sie unter seinem Befehl hatten gewinnen 
helfen." 
Dem Sterbegemach benachbart liegt das runde Bibliothek¬ 
zimmer, bis zur Decke mit hellbraunem Zedernholz, von stark ver¬ 
goldeter Schnitzerei unterbrochen, getäfelt und von Friedrich täglich 
als Arbeitszimmer benutzt. An ihn und seine Tätigkeit Hierselbst 
gemahnen noch sein Arbeitspult, sein Lehnsessel und die Diwans 
für seine Lieblingshunde, vor allem aber seine Handbibliothek 
in vier Bücherschränken, über denen auf Konsolen die antiken 
Marmorbüsten eines Apoll, des Sokrates und Homers stehen, 
zu denen sich eine Statue Friedrichs von Schadow gesellt hat. 
Unter Glas finden wir eine kleine, halbverwischte, flüchtige Zeich¬ 
nung — es ist der erste Plan von Sanssouci, vom König eigen¬ 
händig gezeichnet. Viele Spuren des Gebrauches weist das Ar¬ 
beitspult auf; oft mag er an ihm seine schönen, an die Lieblings¬ 
schwester, die Markgräfin von Bayreuth, gerichteten Worte be¬ 
tätigt haben: „Du hast recht, wenn du sagst, daß ich viel arbeite. 
Ich tue es, um zu leben, denn nichts hat mit dem Tode mehr 
Ähnlichkeit als der Müßiggang!" 
Lange stand Napoleon bei seinem Besuche des Schlosses schwei¬ 
gend und gedankenverloren vor dem einfachen Pult; dann nahm 
er den Hut ab, wendete sich zu seinen Generalen und sagte: „Meine 
Herren, lassen Sie uns diesen Ort ehren, denn er ist heilig!" 
Paul Lindenberg. 
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