Full text: [Teil 4 = (8., 9. und 10. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 4 = (8., 9. und 10. Schuljahr), [Schülerband])

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Schaut und den Menschen aus Staube gemacht zum Tempel sich heiligt! 
Rein sei das Herz! So darf ich, obwohl mit der bebenden Stimme 
Eines Sterblichen, doch den Gottversöhner besingen 
Und die furchtbare Bahn, mit verziehnem Straucheln, durchlaufen. 
Menschen, wenn ihr die Hoheit kennt, die ihr damals empfinget, 
Da der Schöpfer der Welt Versöhner wurde; so höret 
Meinen Gesang, und ihr vor allen, ihr wenigen Edlen, 
Teure, herzliche Freunde des liebenswürdigen Mittlers, 
Ihr mit dem kommenden Weltgerichte vertrauliche Seelen, 
Hört mich und singt den ewigen Sohn durch ein göttliches Leben. 
2. Maria und Portia. 
(Gesang VII., Bers 264-497.) 
Unterdes kam die Mutter des liebsten unter den Söhnen 
Nach durchwachter, einsamer Nacht mit dem Schauer der Dämm'rung 
Nach Jerusalem, fand ihn im Tempel nicht, wo sie ihn suchte, 
Fand den göttlichen Sohn nicht. Versenkt in ängstliches Staunen, 
Höret sie von den Palästen der Römer herüber ein dumpfes, 
Tiefaufsteigend Getöse. Sie ging dem Getös entgegen, 
Ohne daran zu denken, woher es entstünde. Nun geht sie 
Unter dem Volke, das rings durch Jerusalem gegen den Richtstnhl 
Drang. Beklommen, allein noch ruhig wegen des Aufruhrs 
Nrsach', naht sie dem Richtstuhl sich. Hier sieht sie Lebbäus. 
Doch kaum sah Lebbäus die Mutter, da floh er. „Ach, flieht er? 
Warum wendet er sich?" So dachte Maria. Die Vorsicht 
Zückt' auf sie mit diesem Gedanken das Schwert, das bestimmt war, 
Ihr durch die Seele zu gehn. Maria erhub sich und sahe 
Jesus. Ihr Engel, als er die Todesblässe, mit der sie 
Bleich ward, als er die starrenden Augen der Mutter erblickte, 
Wandt' er sein Antlitz. Doch sie, da ihrem Auge das Dunkel, 
Ihrem Ohr die Betäubung entsank, ging vorwärts und bebte 
Näher zum Richtstuhl hin und sah noch einmal den Sohn stehn, 
Sah die mächtigen Kläger um ihn und den richtenden Römer, 
Hörte die Stimme des Volks, die rings mit Wut von dem Tode 
Wiederhallte. Was sollte sie thun? Zu welcher Erbarmung 
Sollte sie flehn? Sie schaute sich um, da war kein Erbarmer! 
Schaute gen Himmel empor, auch er verstummte der Mutter! 
Jetzo betet ihr blutendes Herz: „O, der ihn durch Engel 
Mir verkündigen ließ, mir ihn in Bethlehems Thal gab, 
Daß ich mit Mutterfreuden mich freute, mit denen der Mutter 
Keine sich jemals freute, mit Freuden, die selber die Engel 
In dem Liede von seiner Geburt nicht alle besangen, 
Du, der Samuels Mutter erhörte, da sie anl Altare 
Stand und >veint' und betet', erhör'. Erbarmer, den Jammer 
Meiner Seele, vernimm die Angst, die mehr mich erschüttert, 
Als der Gebärerin Angst! Das mütterlichste der Herzen 
Gäbest du mir und den besten der Söhne, den besten vor allen 
Erdegeborenen. Laß ihn nicht sterben, ist anders mein Flehen 
Deinem göttlichen Willen gemäß, o du, der die Himmel 
Schuf und der Thräne gebot, zu dir um Erbarmung zu flehen!" 
Hier verstummt' ihr Herz. Der Strom der kommenden Scharen 
Trieb sie seitwärts und nahm ihr des Sohns Anblick. Sie entriß sich
	        
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