Object: Das Deutsche Reich (Teil 3)

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gesteckt. Die Alte stand wie eine Bittende vor ihm und schien ihm etwas 
vorzutragen; was aber, konnte er nicht verstehen. Aus einmal aber drehte 
sich die Alte herum und wandte sich nach der in seine Kammer führenden 
Tür, er warf sich daher schnell wieder aufs Lager und stellte sich schlafend. 
Die Alte aber öffnete die Tür, schüttelte ihn und sagte, er solle flugs auf- 
stehen, in der Stube sei jemand, der ihm die Reise ins Morgenland ersparen 
könne. Natürlich sprang er schnell auf und folgte der Alten in die Stube, 
wo der lange, fremde Mann am Herde saß und, wie es schien, dem Kochen 
eines über dem Feuer stehenden Kessels zuschaute. Als der Jüngling zu 
dem Fremden hingetreten war, schaute sich derselbe nach ihm um und fragte 
ihn mit einem Blicke, was sein Begehr sei. Der Jüngling wiederholte ihm, 
was er der Alten bereits erzählt hatte. Da lachte der Fremde und sprach: 
„Ich weiß, was du zu wissen begehrst, allein ich tue nichts umsonst. — Ich 
will dich die Kunst, Schwerter, die ebenso hart, ja noch härter sind als die 
Damaszener, zu schmieden lehren, aber nach sieben Jahren und sieben Mo- 
naten mußt du dich mir zu eigen geben. Tust du es übrigens nicht, so nützt 
es dir auch nichts, denn du wirst nie aus dem Morgenlande zu deiner Braut 
zurückkehren. 
Der arme Bursche überlegte nicht lange, sondern nahm die Hahnen- 
seder, die der Lange aus seinem Hute genommen und in den Kessel ge- 
taucht hatte, und schrieb damit seinen Namen unter ein Pergament, das 
ihm jener hinreichte. Dafür empfing er einen versiegelten Brief, worin, 
wie der Fremde sagte, das Rezept zu den Klingen stehe. Hierauf begab 
sich der Jüngling wieder in sein Kämmerchen und verbrachte den Rest der 
Nacht in wüsten Träumen. Als er aber am nächsten Morgen erwachte, 
fand er die Hütte leer, und nur der versiegelte Brief bewies ihm, daß er nicht 
geträumt hatte. 
Er kehrte hierauf schnell wieder nach Solingen zurück und gestand schließ- 
lich seinem Meister, der sich über seine so schnelle Rückkehr nicht wenig wnn- 
derte, das, was er erfahren und getan hatte. Der aber war ein frommer 
und rechtschaffener Mann und sagte, er wolle um alles in der Welt nicht, 
daß er sein Seelenheil um jenes Geheinmisses halber aufs Spiel setzen solle; 
darum solle der Brief versiegelt bleiben und bis auf die Zeit seiner Enkel 
in dem geheimen Winkel seines Schrankes verwahrt werden, diese möchten 
ihn dann össnen, ihnen könne ja der böse Feind nicht mehr schaden. Gleich- 
wohl aber gab er dem Gesellen nunmehr seine Tochter zur Frau, weil er 
gesehen hatte, daß er es mit seiner Liebe doch ernstlich meinte. Nach langen 
Jahren aber, als der alte Ruthart längst heimgegangen und sein Schwieger- 
söhn selbst schon ein hochbetagter Greis war, da fand sein Enkel den Brief, 
öffnete ihn und erlernte aus ihm die Kunst, jenen harten Stahl zu bereiten, 
durch die die Solinger Waffenschmiede so berühmt geworden sind.
	        
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