Full text: [Teil 4 = (Unter-Tertia), [Schülerband]] (Teil 4 = (Unter-Tertia), [Schülerband])

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I. Deutsche und nordische Sage. 
in ihren Grundfesten, daß alle Ketten und Bande brechen. Dadurch geschieht 
es, daß Loke seiner qualvollen Fesseln ledig wird, daß sein gräßlicher Sohn, 
der Fenrir, sich losreißt und sich mit seiner Brut dem Vater anschließt, 
daß endlich Garm, der Höllenhund, von der Gnhpahöhle mit andern sinstern 
Scharen der Hel heraufsteigt, um das Verderben zu vollenden. Das Meer, 
in seinen Tiefen aufgeregt, schwillt an, stürzt schäumend in wilden Wogen 
über seine Ufer und überflutet das Land. Aus seinem Abgrund erhebt 
die Midgardschlange ihr scheußliches Haupt und wälzt sich in Jotenwut 
kampfbegierig, entsetzlich dem Anblick. 
Jetzt stoßt Heimdal ins Giallarhorn, und laut tönt der Schall durch 
alle Heime und weckt die Äsen und Einherier, daß sie sich rüsten zum 
letzten Kampf der Entscheidung. Odin, den Goldhelm auf dem Haupt, 
die glänzende Brünne auf der Brust, Gunguir, den Zauberspeer, in der 
Hand, tritt an ihre Spitze. Er ist entschlossen, obgleich er das Schicksal 
kennt, in den Streit zu gehen und nicht rühmlos zu fallen. Zuvor will 
er noch einmal die Kunde des bevorstehenden Geschickes an heiliger Stätte 
vernehmen. Er besteigt Sleipnir und reitet an Mimirs Born. Da rauscht 
und bebt der Weltbaum im rasenden Sturm, seine Blätter fallen herab, 
seine Wurzeln drohen zu brechen; die Bornen sitzen da mit verhülltem 
Haupt. Odin murmelt mit Mimirs Haupt; niemand vernimmt, was er 
spricht und hört. 
Indessen steuert Hrym, der Joteukönig, sein Schiff von Osten her 
über die unendliche See. Alle Hrimthursen, bewehrt mit Keulen und 
Wurfgerät, sind an Bord. Zugleich wird das Totenschiff Nagelfari flott, 
da die steigende Meerflut es emporhebt. Es ist erbaut aus den Nägeln 
der Toten, welche die Liebe nicht beschnitten hat. In den Bruderkriegen 
war die Liebe erstorben, und man versagte selbst den Toten den letzten 
Dienst. Loke lenkt des Fahrzeugs Lauf. Mit ihm sind Surtur, das 
Flammenschwert schwingend, dessen Klinge Heller leuchtet als die Sonne, 
und die zahllosen Geschwader der Muspelsöhne, alle in feurigen Rüstungen, 
die das geblendete Auge nicht anzuschauen vermag. Sie landen, besteigen 
die mitgeführten Rosse und sprengen stürmischen Flugs über die Brücke 
Bifröst, die uuter den donnernden Hufschlägen bricht. Loke ist Führer 
und geleitet die ganze Heerschar nach der Ebene Wigrid, die hundert Rasten 
nach allen Seiten sich ausdehnt. Es ist das Kriegsfeld (Kriegsfahrt), wo 
auch der Wolf der Vernichtung und der Wolf der Meere nebst den Hrim¬ 
thursen sich versammeln und zur Schlacht ihre Ordnungen bilden. Dahin 
rücken jetzt die mutigen Äsen und Helden in unabsehbaren Reihen, Odin 
voran, strahlend, als ob er zum gewissen Siege gehe. Noch einmal tönt 
das Giallarhorn, da beginnt der Vernichtuugskampf. Der Wolf heult, 
der Wurm zischt und speit Gift, daß die Luft davon erfüllt und verpestet 
wird. Wie lodernde Flammen, die von einem ungeheuern Brande ausgehen.
	        
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