Klee: Wie Wieland zu König Neiding kam, und wie seine Wette ablief. 43
„Wenn man auch die ganze Welt durchsuchte, so würde man doch kein
so gutes Schwert sinden. Dies hier will ich allzeit führen, wenn ich mik
meinen Feinden streite." Wieland versetzte: „Ich gönne es niemand als
Euch, Herr, und will es Euch gerne geben, sobald ich die Scheide und-
das Gehänge dazu fertiggemacht habe." Damit war Neiding wohl zu¬
frieden und ging vergnügt heim in seine Halle. Wieland aber kehrte zur
Schmiede zurück, setzte sich ans Feuer und machte ein anderes Schwerts
das jenem so ähnlich war, daß man keins vom andern unterscheiden konnte.
Darauf nahm er das. gute Schwert, nannte es Mimung, nach Mime, seinem
alten Meister, versteckte es unter die Schmiedebälge und sprach: „Da liege
nun, Mimung! Wer weiß, wie bald ich deiner vielleicht bedarf!"
Als nun der bestimmte Tag erschienen war, wo die beiden Schmiede
ihre Kunst erproben sollten, da legte am frühen Morgen Amilias schon
seine Panzerhosen an, ging hinaus auf den Markt und zeigte sich. Da
sprachen alle Männer, daß sie nie ein besseres Waffenstück gesehen hätten
und es war auch wunderschön geschmiedet. Und um die Zeit des Frühmahles-
tat er auch seinen Ringpanzer um, der war groß und weit und doppelt
gearbeitet wie die Panzerhosen. So ging er zu des Königs Tisch, und-
jedermann lobte die Brünne. Da ward Amilias sehr vergnügt und prahlte
mit seiner Arbeit. Und als die Mahlzeit vorüberwar, stand der König
auf und ging mit den andern hinaus auf einen freien Platz. Und Amilias
ging auch mit und setzte den Helm aufs Haupt, der war wohlgeglättet
und gewaltig hart und dick. Unterdessen war Wieland in seine Schmiede
geeilt und hatte den Mimung geholt. Jetzt zog er ihn aus der Scheide,
trat hinter den Stuhl, auf welchen sich Amilias gestützt hatte, und legte
die Klinge auf seinen Helm. Nun fragte er ihn, ob er etwas spüre. Da
antwortete Amilias stolz: „Hau zu aus aller Kraft! Du wirst es nötig
haben." Hierauf drückte Wieland stark auf das Schwert und zog es an
sich, so daß es durch Helm und Haupt, Brünne und Rumpf hindurchschnitt
bis unter den Gürtel. „Wie ist dir jetzt? Spürst du noch nichts?"
fragte er. Amilias antwortete: „Mir ist es, als ob kaltes Wasser über
meinen Leib flösse." „Schüttle dich!" sprach Wieland, „dann wirst du's
innewerden." Und Amilias schüttelte sich und fiel in zwei Stücken vom
Stuhl herab. Da sprach mancher, der das mit ansah: „Wer aus Übermut
sich selber am höchsten erhebt, der fällt leichtlich am tiefsten."
Nun verlangte der König von Wieland das Schwert. Aber dieser
sagte: „Herr, ich muß erst das Gehänge holen, das in der Schmiede
liegt. Dann will ich Euch alles geben." So ging er zu seiner Werkstatt;
dort warf er Mimung unter die Bälge, nahm das andre Schwert, steckte
es in die Scheide und brachte es dem Könige. Der meinte, das wunderbare
Schwert zu besitzen, mit dem Wieland den Amilias durchgeschnitten hatte,
und hielt es für das größte Kleinod der Welt.