G. Klee: Die Siegfriedsage nach nordischer Überlieferung. 253
der Nornen unerbittlicher Ratschluß, schuf dir und mir die bittere
Not. Vollbracht ist alles, wie es verhängt war. Nun gönne nur
noch meinen Kummer §u künden und dann zu sterben! So sprach
sie, und heiße Thränen rollten ihr über die blassen Wangen. Da
schmiegen alle, die im Saale waren, und wunderten sich über solches
Gebühren, daß sie nun weinend von dem zu reden begann, wozu sre
selber geraten hatte. ^ s
„Mit wabernder Lohe," so hub sie an, „umgab mich Wotan uno
versenkte mich in tiefen Schlaf; nur dem, der das Furchten mch
kannte, war es beschieden mich zu erwecken. Lange schlief ich, brs
Siegfried, der Wecker, nahte. Auf Grane dem Roß durchritt er d:e
Glut; sein Kuß nahm den Schlummer von mir. Da gelobten nur
uns mit heiligen Eiden, einander zu gehören fürs ganze -eben.
Fleckenlos ließ mich der Reine zurück; seiner Wiederkehr harrt \)
geduldig. Doch ihm verwirrte ein Zauber den Sinn,. daß er mt )
Arme völlig vergaß. Dich, o Gudrun, freite der Held, indes rch em-
sam auf dem feurigen Felsen saß. Wie dann es erging, du weltz
es selbst. Zu dieser Halle ward ich geführt, des ungeliebten Manne
Gemahl. Da sah ich ihn als deinen Gatten, ihn, der nur schuld ov
die Treue gebrochen; von Haß und Liebe brannte mein Herz, unend¬
liches Leid ward mir zu teil. Nun hat er gebüßt, was er an mrr
verbrach. Dem einzig Geliebten riet ich den Tod!" So sprach Brunn¬
hilde, dann wandte sie sich zu Günther: „Dein Weib, o König, kann
ich fürder nicht sein; Siegfrieds Blut heischt Sühne von mir. ouin
Tode geh' ich mich zu bereiten. Du wehre mir nicht die erfe-n e
Fahrt!" — —
Hoch aufgerichtet stand Brünnhilde in ihrem Gemach, die goldene
Brünne umhüllte ihr wieder wie vormals den Leib; em Helm e
ihr die Locken; an der Seite hing ihr das blitzende Schwer. en
dienenden Frauen, die weinend von fern die Herrliche betra he er,
warf sie mit beiden Händen Gold und köstliche Steine zu an
hieß sie Günther zu sich entbieten. Er kam, doch wagt er mch ne
zu berühren. „Hör meine letzte Bitte!" begann Brünnhilde, „für nncy
und den Wälsung laß draußen auf offenein Felde einen mächtigen
Scheiterhaufen errichten. Mir zur Seite soll er liegen, wenn un^>
beide die Flammen verzehren." Seufzend gelobte Günther tjr a e •
Hoch zum Himmel ragte der Holzstoß. Siegfrieds Lerche un
seines Söhnleins legten sie oben darauf. Auch Grane, das edle
folgte dem Herrn in den Tod. Da befahl Brünnhilde den ran z
entzünden und bestieg selber den flammenden Scheiterhaufen. Baw
war alles von glühender Lohe verhüllt. So verbrannte nmujt
mit Siegfried zusammen; der Tod einte das liebende Paar.