Full text: Deutsches Lesebuch für Tertia (Teil 4, [Schülerband])

G. Freytag: Deutsches Ttädteleben im Ausgange des Mittelalters. 327 
wird teurer, der Erwerb leidet in kriegerischer Zeit, und der fromme 
Sinn kommt in Abnahme! 
Die Straßen haben ein reinlicheres Aussehen als zuvor, da es 
an Gossen fehlte, den im ungepflasterten Boden sich sammelnden Unrat 
abzuleiten; trieben sich doch im reichen Ulm noch im Jahre 1410 die 
Schweine auf den Straßen umher. In Zürich waren im Jahre 1480 
die Straßen mit Steinen gepflastert und auch sonst in größeren Städten 
jedenfalls die Hauptstraßen, und die Häuser entlang führte wohl gar 
ein Bürgersteig. 
Auch für die Wasserversorgung ist gesorgt, denn an ihr hängt 
das Gedeihen der Stadt. Für das Vieh und gegen Brandunglück, 
vor allenl aber für städtische Gewerbe ist es unentbehrlich. Ohne 
Stadtnlühle ist zumal in Kriegszeiten nicht auszukommen, die Gerber, 
Färber, Weber, Wollspinner siedeln am Wasser. Für den Genuß der 
Menschen befinden sich allenthalben Ziehbrunnen einfacher Art, mit 
Rolle, Kette und Doppeleimer, oder aber man hat fern von der 
Stadt ini bergigen Gelände Quellen aufgefangen, deren Wasser man 
nach der Stadt leitet und oft in prächtigen Brunnen ausströmen läßt. 
2. Die Bürger. 
Die Bürgerschaft befand sich wohl unter einem patriarchalischen 
Reginiente, in welchem auch nach dem Ausgleiche zwischen Zünften 
und Geschlechtern häufig genug die Patrizier die eigentliche Leitung 
hatten. In Nürnberg z. B. hatte man zwar in den „kleinen Rat", 
der an der Spitze der Geschäfte stand, auch eine Zahl Handwerker 
aufnehmen müssen; aber innerhalb dieser Behörde schloß sich wieder 
die kleine Zahl von sieben Männern, die nur aus dem Patrizierstande 
genommen wurden, zu einem geheimen Rate zusammen, welcher beherr¬ 
schenden Einfluß ausübte. Zwei seiner Mitglieder, die Losungen, 
beaufsichtigten die Finanzen, ein drittes stand den militärischen 
Angelegenheiten vor. 
Auch die gesellschaftliche Stellung dieser „ehrbaren" Geschlechter 
war und blieb eine streng abgeschlossene. So gehörte das Tanzen 
auf dem Rathause bei besonderen Gelegenheiten zu den Ehrenvorrechten 
dieser Familien. Wer einen offnen Kram oder Handel hatte, wer ein 
Handwerk betrieb, galt als unwert, jenen Festen beizuwohnen, an 
denen oft genug Kaiser und Könige mit ihrer glänzenden Umgebung 
teilnahmen und bei denen die Stadtmusik aufspielte. 
Neben den Geschlechtern bilden die Zünfte einen vermögenden, 
behaglichen, tüchtigen Mittelstand, der nicht mehr wie im 14. Jahr¬ 
hundert um politische Rechte zu kämpfen hat, sondern in friedlicher 
Arbeit das Handwerk zu Ehren bringt. Das Zunftrecht sichert dem 
Handwerksmeister seinen Wohlstand. Vom Jahre 1450 an beginnt
	        
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