Full text: [Abteilung 5 = Für Ober-Tertia, [Schülerband]] (Abteilung 5 = Für Ober-Tertia, [Schülerband])

Uhland: Die sanften Tage. Groth: Abendgang. 
321 
2. Das Gras ringsum, die Blumen gar 
Stehn mit Juwelen und Perl'n im 
Haar; 
Die schlanken Pappeln, Busch und Saat 
Verneigen sich im größten Staat. 
3. Als Bot' voraus das Bächlein eilt, 
Und wo der Wind die Wipfel teilt, 
Die Au' verstohlen nach mir schaut, 
Als wär' sie meine liebe Braut. 
4. Ja, komm'ich müd'ins Nachtquartier, 
Die Nachtigall noch vor der Tür 
Mir Ständchen bringt, Glühwürmchen 
bald 
Illuminieren rings den Wald. 
5. Umsonst, das ist nun einmal so, 
Kein Dichter reist inkognito, 
Der lust'ge Frühling merkt es gleich, 
Der König ist in seinem Reich. 
130. Die sanften Tage. 
Üßon Ludwig Uhland. (1805.) 
1. Ich bin so hold den sanften Tagen, 
Wann in der ersten Frühlingszeit 
Der Himmel, bläulich aufgeschlagen, 
Zur Erde Glanz und Wärme streut, 
Die Täler noch von Eise grauen, 
Der- Hügel schon sich sonnig hebt, 
Die Mädchen sich ins Freie trauen, 
Der Kinder Spiel sich neu belebt. 
2. Dann steh' ich auf dem Berge 
droben 
Und seh' es alles, still erfreut, 
Die Brust von leisem Drang gehoben, 
Der noch zum Wunsche nicht gedeiht. 
Ich bin ein Kind und mit dem Spiele 
Der heiteren Natur vergnügt, 
In ihre ruhigen Gefühle 
Ist ganz die Seele eingewiegt. 
3. Ich bin so hold den sanften Tagen, 
Wann ihrer mild besonnten Flur 
Gerührte Greise Abschied sagen; 
Dann ist die Feier der Natur. 
Sie prangt nicht mehr mit Blüt' und 
Fülle, 
All' ihre regen Kräfte ruhn, 
Sie sammelt sich in süße Stille, 
In ihre Tiefen schaut sie nun. 
4. Die Seele, jüngst so hoch getragen, 
Sie senket ihren stolzen Flug, 
Sie lernt ein friedliches Entsagen, 
Erinnerung ist ihr genug. 
Da ist mir wohl im sanften Schweigen, 
Das die Natur der Seele gab; 
Es ist mir so, als dürft' ich steigen 
Hinunter in mein stilles Grab. 
13JU Abendgayg. 
Äon Klaus Groth. 
1. De grüne Wisch, der smalle Weg— | 
Wer much dar wull ni gan? 
Nan Garn dar führt en nüdli Steg, 
Dat Hus süht aewer de Rosen weg — 
Wer müch dar wul ni wahn'? 
Deutsches Lesebuch. Ober-Tertia. 
2. Dar spegelt sick de Abendsünn, 
De winkt mi ute Feern! 
Un och! twee Ogen sünd dar binn', 
Dar spegelt sick min Hart darin — 
Wer gung dar denn ni geern? 
21
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.