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Thal waltete und die Leben der Männer wohl zu behüten ver¬
mochte, wenn sie ihr lieh wurden. g. Freytag.
45. Eine deutsche Stadt um das Jahr 1300.
Noch liegt die Stadt um 1300 zwischen Wald und Wasser, von
Holz, Teich, Bruch und Heide umgeben. Aus der Heide führt die Straße
durch die Landwehr, einen Wall mit Graben, der die Flur und ihre
Gemarkung in weitem Kreise umzieht; der Wall ist mit Dornengebüsch
und Knicken besetzt, die Feinde abzuhalten. Über die Baumgipfel des
Waldes und auf den benachbarten Höhen ragen einzelne Warttürme,
schmucklose Steinbauten, zuweilen mit hochgelegener Thür, die nur durch
eine Leiter zugänglich wird, oben mit Umgang oder Plattform. Hinter
der Landwehr zeigt sich die Stadt. Die Morgensonne glänzt von hoher
Kuppel der Stadtkirchen, von dem riesigen Holzgerüst des neuen Doms,
an welchem gerade gebaut wird, und von vielen großen und kleinen
Türmen der Stadt. Sie stehen, aus der Ferne betrachtet, dicht gedrängt,
nicht nur an Kirchen und Rathaus, auch zwischen den Häusern als Über¬
reste alter Befestigungen, oder an einer Binnenmauer, welche die alte
Stadt von einem neueren Teile scheidet; dann hat die innere Mauer
auch Thore, die bei Nacht zu großer Belästigung der Bürger noch ge¬
schlossen werden. Sehr groß ist die Zahl der Mauertürme, und die
Menge wird noch vermehrt — München hatte damals gegen 100, Frank¬
furt zwischen 60 und 70; kaum hatte eine menschenreiche Stadt weniger.
Diese Türme, viereckig oder rund gebaut, von ungleicher Höhe und Dicke,
sind bei einer reichen Stadt mit Schiefer oder Ziegeln gedeckt, vielleicht
mit zinnernen Knäufen versehen, welche im Sonnenlichte wie Silber
glänzen, kleine Fahnen daraus und hier und da ein vergoldetes Kreuz.
Auch Erker springen aus der Mauer vor nach dem Stadtgraben, sie
sind zum Teil heizbar, zierlich gedeckt und mit metallenen Kugeln geschmückt.
Auf luftigen Stellen drehen nahe der Mauer Windmühlen ihre
Flügel; wo ein Bach durch Wiesen läuft, klappern die Räder der Wasser¬
mühlen. Liegt die Stadt an einem größeren Fluß, dann sind Schiffsmühlen
mit gewaltigen Radschaufeln gebaut, im Schutz der Mauern und Türme,
damit die Stadt in einer Notzeit nicht des Brotes entbehre. Und führt
außerhalb der Mauer eine Brücke über den Fluß, so hat sie unten
schwache Eisböcke zum Schutz und bildet oben einen gedeckten Gang mit
Türmen an beiden Ufern; in der Mitte der Spannung steht wohl das
Bild des Schutzheiligen mit Kruzifix und einem Opferstock, in welchen