Full text: [Teil 6, [Schülerband]] (Teil 6, [Schülerband])

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Entstehung des Bernsteins. Die Töchter des Sonnengottes beweinten 
den Tod ihres von Jupiters Blitzstrahl in den Eridanus gestürzten 
Bruders, vier Monate lang am Grabe verweilend und heiße Thränen 
vergießend. Endlich erbarmten sich ihrer die Götter und verwandelten 
sie in Bäume. Aber als auch schon Rinde sie umhüllte, 
,,Fließen noch Thränen heraus und erstarren, vom jungen Gezweige 
Tropfend' bei Sonnenglut, zu Bernstein, welchen der helle 
Strom aufnimmt und zum Schmuck den Töchtern Latiums sendet^. 
Nach Schacht, 
109. Der Sturmvogel. 
Eine dumpfe Stille liegt auf dem Meere. Bleigrau umzieht sich 
der Himmel. Dunkle Wolken ballen sich zusammen. Die Sonne ist durch 
sie verdeckt, und es ist düster geworden, trotz der Mittagszeit. Die See 
geht hohl; langgestreckte Wellen wälzen sich langsam dahin; weiße Schaum¬ 
streifen bezeichnen ihre Gipfel. 
Vor dem kaum bemerkbaren Winde gleitet mit vollen Segeln ein 
Schiff. Kein Land, kein anderes Fahrzeug, nicht einmal eine Möwe ist 
zu sehen; allein, sich selbst überlassen, schwimmt die Brigg inmitten des 
Weltmeeres. Ernst schaut der Schiffer in die Runde. Nach Westen 
deutet der Steuermann, und besorgte Blicke werfen sich die Matrosen zu. 
Der Befehl zum Einreffen der Segel jagt sie auf die höchsten Rahen. 
Noch ist das schwere Werk nicht beendet, da füllen sich plötzlich die Segel 
mit Gewalt, und der Wimpel zuckt, wie ein Blitz, lang über das Schiff. 
Daher braust der Sturm! Lebendig wird das Meer; lebendig wird es 
auf dem Schiffe. Heulend bäumen sich die Wogen auf, zürnend schleudern 
sie ihren Gischt auf das Deck des Fahrzeuges. Dort rasseln die Taue 
und Ketten, und das befehlende Wort wird kaum vernommen. Mit jeder 
Minute nimmt die Windsbraut zu. Wild flattert das Haar des Schiffers; 
mit dem Schaum der Wogen peitscht der Sturm sein Gesicht. Das Schiff 
stöhnt und ächzt wie ein Mensch. Hoch erhebt es jetzt der Schwall des 
Wassers, schwer sinkt es einen Augenblick später in die Wellentiefe hinab. 
Mehr und mehr grollen die Wogen dem Erdgebornen. Immer höher 
werden ihre Kämme, immer steiler ihre Wände, tiefer die Thäler zwischen 
ihnen. Eine und die andere wälzt sich rauschend über das Schiff; jede 
überflutet es wenigstens mit einem regenähnlichen Guß. Alle Farben 
sind verschwunden, und nur ein einziges ungewisses Grau liegt auf dem 
wütenden Meere.
	        
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