Full text: [Teil 6, [Schülerband]] (Teil 6, [Schülerband])

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förderlicher Wind die Wogen der See erhebt und mit dem blendenden 
Schaume krönt. Doch lassen wir die Sage und den Aberglauben; hören 
wir, was man durch genaue Beobachtung über diese Vögel weiß. 
Sechs bis acht einander ungemein ähnliche Vögelchen bilden die 
Sippe der Meerläufer oder Sturmschwalben, wie man unsere Tiere, um 
sie von den Riesen ihrer Familie zu unterscheiden, vorzugsweise zu nennen 
pflegt. Sie sind die kleinsten und zierlichsten aller Schwimmvögel und 
für das Meer dasselbe, was die Schwalben für das Land sind. In ihrer 
Ausdauer werden sie von keinem Vogel der Erde übertroffen; noch 
niemand hat sie im Meere schwimmen sehen, nur fliegend zeigen sie sich, 
fliegend durchwandern sie das unendliche Meer. Ihre Größe übertrifft 
die unserer Schwalben etwa um die Hälfte. 
Sie lieben das Meer wie kein anderer Vogel und verschmähen schon 
Binnenmeere von der Größe der Ostsee oder des kaspischen Sees. Das 
Weltmeer ist ihre eigentliche Heimat; auf dem Lande sind sie fremd. 
Das Festland besuchen sie bloß, um für ihre Eier einen sicheren Nestort 
zu suchen. Sonst leben sie jahraus, jahrein, bei Tage und bei Nacht, 
in Sturm und Stille, Sonnenschein und Trübe auf der See. 
Bei ruhiger See erscheinen sie gewöhnlich gegen Sonnenuntergang 
in Gesellschaften von drei bis vier, zehn bis fünfzehn, oft aber auch in 
Scharen von mehr als fünfzig Stück in der Nähe der Schiffe: — man 
sieht sie ja eben nur von diesen aus. Sie sammeln sich dann am 
Spiegel des Fahrzeuges, kehren sich gegen den Wind und schweben ohne 
Flügelschlag dicht über den Wellen dahin, immer in gleicher Höhe über 
dem Wasser, geschickt jeder Berührung mit demselben ausweichend. Zu¬ 
gleich laufen sie mit Hülfe ihrer Flügel buchstäblich auf dem Wasser¬ 
spiegel, aber immer nur auf kurze Strecken, sehr behend dahin, durch 
die Wellenthäler und selbst über die schäumenden Kämme hinweg. Auf 
schwimmenden Gegenständen, welche zu winzig sind, als daß sie das leichte 
Meereskind tragen könnten, stehen sie oft Augenblicke lang scheinbar still, 
erhalten sich aber durch Trippeln und die vom Winde gehobenen aus¬ 
gebreiteten Schwingen in ihrer Lage. Dabei untersuchen sie stets das 
Wasser und picken beständig etwas von ihm auf. Wenn dunkle Wolken 
den Himmel decken und auch zur Mittagszeit Dämmerung über das 
Meer bringen, sind sie weit munterer als während der Stille eines 
sonnigen Tages. Und wenn dann Sturm zum Dunkel kommt und die 
Wellen peitscht und aufregt, bis sie ihr herrliches Blau in ein ähnliches, 
nur grünlicheres Grau wandeln wie der Himmel: dann scheinen sie erst 
recht aufzuleben und rufen hocherfreut ihr „Wihb, wihb, uä, uä!" in 
das Sausen des Sturmes und das Brausen der Wogen hinein, wie sonst
	        
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