Full text: Gedichtsammlung aus den letzten 150 Jahren deutscher Dichtung (Teil 3, [Schülerband])

Hebel — Heine. 
161 
Druf isch's Müllers Esel cho und hellen in d'Mühli 
Gholt und wiederbrocht, in chleini Chörnli vermahle; 
Und mit feister Milch vom junge fleckige Chüeihli 
Hetten's Müetterli gchocht im Tüpfi. — Geltet, 's isch guet gsi? 
«sWüschet d'Löffel ab und bet eis: „Danket dem Heren" — 
Und jez göhnt in d'Schuel, dort hangt der Oser am Simse! 
Fall mer keis, gent Achtig und lehret, was menich ufgit! 
Wenn der wiederchömmct, se chömmet der Zibertli über. 
Werke. I, S. 154 ff. 
Heinrich Heine. 
201. Mscycr. 
1. Die Mitternacht zog näher schon; 
In stummer Ruh' lag Babylon. 
2. Nur oben in des Königs Schloß, 
Da flackert's, da lärmt des Königs Troß. 
3. Dort oben in dem Königssaal 
Belsazer hielt sein Königsmahl. 
4. Die Knechte saßen in schimmernden Reihn 
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein. 
5. Es klirrten die Becher, es jauchzten die 
Knecht'; 
So klang es dem störrigen Könige recht. 
6. Des Königs Wangen leuchten Glut; 
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut. 
7. Und blindlings reißt der Mut ihn fort, 
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort. 
s. Und er brüstet sich frech und lästert wild; 
Die Knechteschar ihm Beifall brüllt. 
9. Der König rief mit stolzem Blick; 
Der Diener eilt und kehrt zurück. 
i o. Er trug viel gülden Gerät aus dem Haupt; 
Das war aus dem Tempel Jehovahs ge¬ 
raubt. 
11. Und der König ergriff niit frevler Hand 
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand. 
12. Und er leert ihn hastig bis auf den Grund 
Und rufet laut mit schäumendem Mund: 
13. „Jehovah! dir künd' ich auf ewig 
Hohn, — 
Ich bin der König von Babylon!" 
14. Doch kaum das grause Wort verklang, 
Dem König ward's heimlich im Busen bang. 
15. Das gellende Lachen verstummte zumal; 
Es wurde leichenstill im Saal. 
16. Und sieh! und sieh! au weißer Wand, 
Da kam's hervor wie Menschenhand — 
17. Und schrieb und schrieb an weißer 
Wand 
Buchstaben von Feuer und schrieb und schwand. 
18. Der König stieren Blicks dasaß 
Mit schlotternden Knieen und totenblaß. 
19. Die Knechteschar saß kalt durchgraut 
Und saß gar still, gab keinen Laut. 
20. Die Magier kamen, doch keiner verstand 
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand. 
2i. Belsazer ward aber in selbiger Nacht 
Bon seinen Knechten umgebracht. 
Werke. I, S. 37 f. 
202. Die Grenadiere. 
i. Nach Frankreich zogen zwei Grenadier', 
Die waren in Rußland gefangen. 
Und als sie kamen ins deutsche Quartier, 
Sie ließen die Köpfe hangen. 
2. Da hörten sie beide die traurige Mär, 
Daß Frankreich verloren gegangen, 
Besiegt und zerschlagen das große Heer, — 
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen. 
PulS, Gedichtsammlung. B. 
11
	        
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