ZI. Kaiser Wilhelm I. und Bismarck.
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gleich, stellt Bismarck in dem Verkehre dieser Jahre sich, ohne jemals die Ehr¬
erbietung der Form und auch des Gefühls zu verletzen, recht eigentlich neben
seinen Kaiser. Er redet vor ihm von seinen eigenen Fehlern, die er sehr wohl
kenne; aber dabei verkleinert er sich nie, er schmeichelt nie, er hält sich stolz und
gerade. Er weist über den irdischen Herrn hinweg aus den ewigen hin; und er 8
nennt es (1883) den „Vorzug, den Gottes Segen Ew. Majestät vor andern
Monarchen, die Großes ausgeführt haben, gegeben hat, daß Allerhöchstdero Diener
mit Dankbarkeit gegen Ew. Majestät auf ihre Dienstleistungen zurückblicken. Die
Treue des Herrschers erzeugt und erhält die Treue seiner Diener." Bei
so freier Aufrichtigkeit, die den Preisenden und den Gepriesenen sittlich ehrt, 10
ist es dann doppelt inhaltvoll, was Bismarck diesem Satze vorausschickt:
„Ew. Majestät Zufriedenheit mit mir hat für mich höhern Wert als der
Beifall aller andern." Und fast noch weiter ist Fürst Bismarck gegangen..
Mit mächtigem, einfachem Selbstgefühle hat er, der es vor andern bekannte,
daß er selber der Träger von Deutschlands europäischem Kredite sei, seinem l5
Kaiser für die „Unwandelbarkeit" seines Vertrauens durch mehr als zwanzig
Jahre, für „die Gnade und das Vertrauen" gedankt, die „mir stets ohne
Wandel zur Seite gestanden haben". Er vergleicht sich (1884), nur halb
scherzend, dem Kenianern des Bildwerkes, das Wilhelm ihm geschenkt hat:
der trägt ein riesiges Horn aus den Schultern, und ein Weib hängt sich ihm 20
mit ganzer Last in die Barthaare. „So macht es mit mir, während
ich mit Ew. Majestät und des Landes Dienst alle Hände voll zu tun habe,
die Opposition, auf die Gefahr hin, mich im Tragen der Geschäftslast zu
stören . . ." Im September 1887, zum 25. Jahrestage seiner Minister¬
schaft, hat Bismarck den letzten und in all seiner Verehrung stolzesten dieser 25
Huldigungs- und Dankesbriefe geschrieben. „Minister ernennt jeder Landes¬
herr, aber es ist in neuerer Zeit kaum vorgekommen, daß ein Monarch einen
Minister-Präsidenten 25 Jahre hindurch in bewegten Zeiten, wo nicht alles
gelingt, gegen alle Feindschaften und Intrigen hält und deckt." Er dankt in
tiefer Treue diesem Monarchen, dessen „Gnade und Vertrauen für mich un-30
wandelbar gleich geblieben sind," und rühmt ihn damit zugleich auf das höchste.
In solchen Briefen spricht die Größe zur Größe, man möchte sagen:
der Souverän zum Souverän. Der große Minister zieht sich nicht in ängst¬
licher Bescheidenheit, die ihm unwahrhaftig sein würde, hinter seinen Herrn
zurück, er denkt nicht daran, seinen eigenen Anteil dem Herrscher zuzuschreiben; 35
man spürt, er erblickt, wie es die Größten immer tun, in der Sache seines
Staates und seines Herrschers seine Sache, und jener ist ihm sein Helfer
— wie er selber der Helfer des Königs ist. Daß er sich, mit erhobenem