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32. Reden Kaiser Wilhelms II.
stritten und gelitten haben. Wir stehen auf der Spitze dessen, was wir uns
nur je geträumt haben. Was kann für uns noch irgendwie Interessantes
und Erhebendes oder Aneiferndes kommen, nach dem, was wir durchlebt
haben?" Eine kurze Pause folgte darauf, und da sagte der alte Schlachten-
5 lenker mit einem Male: „Den Baum wachsen sehen!" Und tiefe Stille
verbreitete sich im Zimmer.
Ja, meine Herren! Der Baum, den wir wachsen sehen, und für den
wir sorgen müssen, ist die deutsche Reichseiche. Gesundes Wachstum ist ihr
bestimmt, weil sie in der Hut der Märker steht, in deren Land ihre Wurzeln
10 sich befinden. Sie hat manchen Sturm durchgemacht und oft auszugehn ge¬
droht; aber der Stamm und das Reislein, in den märkischen Sand gesenkt,
wird, so Gott will, in alle Ewigkeit halten!
Ich kann somit heute nur von neuem geloben, alles zu tun, was Ich
dazu vermag! Auch die Reise an die gelobten Stätten und die geheiligten
15 Orte wird Mir behilflich sein, um diesen Baum zu beschützen, zu fördern und
zu pflegen, wie ein guter Gärtner die Zweige zurückzuschneiden, die über¬
flüssig sind, auf die Tiere zu sehn, die seine Wurzeln benagen wollen, und sie
auszurotten. Ich hoffe, dann das Bild zu sehen, daß der Baum sich herrlich
entwickelt, und vor ihnl steht der deutsche Michel, die Hand am Schwertknauf,
20 den Blick nach außen, um ihn zu beschirmen. Sicher ist der Friede, der
hinter dem Schild und unter dem Schwerte des deutschen Michels steht.
Es ist ja ein herrliches Beginnen, für alle Völker den Frieden herbei¬
führen zu wollen; aber es wird ein Fehler bei den ganzen Rechnungen an¬
gestellt. Solange in der Menschheit die unerlöste Sünde herrscht, so lange
25 wird es Krieg und Haß, Neid und Zwietracht geben, und so lange wird ein
Mensch versuchen, den andern zu übervorteilen; was aber unter den Menschen,
das ist auch unter den Völkern Gesetz. Deswegen wollen wir trachten, daß
wir Germanen wenigstens zusammenhalten wie ein fester Block! An diesem
„roeber cte bronze“ des deutschen Volkes draußen weit über die Meere
30 und bei uns zu Haus in Europa möge sich jede den Frieden bedräuende Welle
brechen!
Wer Mir dazu zuerst zu helfen berufen ist, das ist die Mark, das sind
die Märker, und da Ich annehme, daß es Ihnen nicht schwer fallen kann,
dem schwarz-weißen Banner und Ihrem roten zu folgen, so hoffe Ich, daß Ich
35 dafür Verständnis unter Ihnen finde, daß Ich Mich auf die Mark zu stützen be¬
absichtige nach wie vor, und daß Ich dabei auf Ihre getreue Mitarbeit rechne!
Daher erhebe Ich das Glas und rufe: Es lebe die Mark Brandenburg
und ihre Mitglieder! Hurra! — Hurra! — Hurra!