7. Aus der Sittenlehre der Stoiker.
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auf die Dinge, die der Natur dessen, was in unsrer Macht steht, zuwider
sind; seine Willensregung ist stets gemäßigt; ob er für einen Toren oder
Unwissenden gehalten werde, bekümmert ihn nicht. Mit einem Worte, er
ist gegen sich selbst beständig auf der Hut, wie gegen einen Feind und
Verräter.
17. Immer müssen wir folgende Gedanken in Bereitschaft haben:
„O leite du mich, Zeus, und du, o Schicksal,
wohin mir- euer Wink zu gehn befiehlt;
ich bin bereit zu folgen; wollt' ich nicht,
so wär' ich feig und müßte dennoch folgen."
„Wer der Notwendigkeit sich gerne fügt,
der ist ein Weiser und erkennet Gott." Epinet.
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18. Dann finden wir die Heiterkeit der Seele, wenn wir uns gewöhnen,
der Hilfe von außen her zu entbehren und zu unsrer Ruhe andrer Menschen
nicht zu bedürfen. Man soll aufrecht stehn, ohne aufrecht gehalten zu werden.
19. Es ist ein Vorzug des Menschen, auch die zu lieben, die uns be¬
leidigen. Dahin gelangt man, wenn man bedenkt, daß die Menschen mit uns
eines Geschlechtes sind, und daß sie aus Unwissenheit und gegen ihren Willen
fehlen. — Hat sich jemand gegen dich vergangen, so erwäge sogleich, welche
Ansicht über Gut und Böse ihn dazu bestimmt habe. Nämlich, sobald dir
dies klar ist, wirst du gegen ihn nur Mitleid fühlen, aber dich weder ver¬
wundern noch erzürnen; denn entweder hast du dieselbe Ansicht wie er, dann
mußt du verzeihen, oder du hast über Gut und Böse nicht dieselbe Ansicht,
und in diesem Falle lvird dir Wohlwollen gegen den Irrenden um so
leichter sein.
20. Arbeite an deinem Innern! Da ist die Quelle des Guten, eine
unversiegbare Quelle, wenn du nur immer nachgräbst.
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Marc Aurel.